Silvio Camboni wurde am 4.9.1967 in Santadi bei Cagliari/Sardinien geboren und tritt seit 1989 als Autor und Zeichner u.a. im italienischen "Topolino" und damit auch im Lustigen Taschenbuch in Erscheinung. Camboni ist zweifellos einer der besten und talentiertesten Zeichner einer neuen Zeichnergeneration.
Nicht zustande gekommen wäre dieses Interview ohne Armando Botto (
http://www.papersera.net/), der als Dolmetscher eingesprungen ist. Dankeschön an Armando für seine Arbeit. ;)

LTB-Online: Mr Camboni, zunächst einmal möchten wir Sie gerne zu Ihrer ersten Begegnung mit Disney-Comics befragen und wissen, was genau alles passierte, dass Sie nun einer dieser großartigen, italienischen Comic-Künstler sind?

Silvio Camboni: Ich war nach Mailand gezogen um dort zu studieren, und wie viele junge Comic-Fans habe ich viele Verleger auf der Suche nach einem Job besucht.
So kam ich schließlich zu Gianno Bonos Verlag Epierre, wo man mir vorgeschlagen hat, dass ich es doch einmal mit Disney-Figuren versuchen könnte. Selbstverständlich war ich einverstanden. Innerhalb eines Jahres traf ich so zunächst den großartigen Autoren Carlo Chendi, später den Meister Giovan Battista Carpi. Carpi war gerade dabei eine "Disney Zeichnerschule" zu eröffnen – und so begann mein Abenteuer.


Eines der Camboni-Frühwerke: "Ghostbusters" aus OD #64 von 1991

LTB-Online: Haben Sie schon in jungen Jahren Comics gelesen? Und haben Sie damals die Disney-Comics bevorzugt?

Silvio Camboni: Zu sagen, dass ich Comics nur gelesen hätte, wäre untertrieben: Ich habe sie regelrecht verschlungen! Selbstverständlich war "Topolino" meine erste Wahl und ich habe es gesammelt. Jedoch verehrte ich auch zahlreiche andere Comics; an dieser Stelle seien mit Lucky Luke und Asterix nur einige genannt.

LTB-Online: Heute machen Sie – wenn ich denn recht informiert bin – nicht nur Disney-Comics. Ist es einfach auf der einen Seite für den italienischen Disney-Verlag und andererseits zum Beispiel "Bone"-Comics zu erstellen? Ist es für Sie wichtig, unterschiedliche Dinge auszuprobieren?

Silvio Camboni: Genau genommen war "Bone" eine einmalige Erfahrung – und ich empfand es nicht als schwierig. Es ist eben eine völlig andere Sache. Stattdessen, wenn wir über meine Mitarbeit an franko-belgischen Comics sprechen (Beispielsweise meine Arbeit für 'Humanoides Associés' und die, die gerade bei Dupuis gestartet wird); diese Zeichenstile sind schon ziemlich unterschiedlich im Vergleich zu Disney. Meine Aufgabe ist es, mich ständig anzupassen, was nicht ganz einfach ist. Das ist schon eine Menge, mit dem man fertig werden muss.
Aber ich denke, dass das finale Ergebnis mich auch als Künstler weiterbringt. So hat von diesem Projekt jeder der Beteiligten Vorteile: Disney, die anderen Herausgeber, der Leser und nicht zuletzt ich selbst.


"Das Monster vom Parksee" (LTB 247)

LTB-Online: Der große Romano Scarpa ist am 23. April dieses Jahres verstorben – ein trauriger Tag für die komplette Disney-Welt. Viele (italienische) Comic-Künstler sagen, dass sie Scarpa für seine Arbeit sehr bewundern. Wie ist das bei Ihnen, haben Sie "Idole"?

Silvio Camboni: Herauszustellen, dass Scarpa einer der Größten war, ist fast schon überflüssig. Seine Geschichten waren ein äußerst wichtiger Baustein zu Disneys weltweitem Erfolg, zu meiner persönlichen Beziehung zu Disney und zur Entwicklung der kompletten Disney-Bewegung.
Ich muss sagen, dass ich Scarpas grandiose Arbeiten immer sehr geschätzt habe, vor allem aufgrund der großen Vielfalt, die er seinen Geschichten verliehen hat. Diese waren einfach immer faszinierend, abenteuerlich, cineastisch, einfach großartig.

Jedoch, wenn ich denn nun wirklich ein "Idol" herauspicken soll (Wobei ich den Begriff nicht sehr schätze und es eher "Vorbild" nennen möchte), komme ich nicht umhin, auf Giorgio Cavazzano zu verweisen. Er war derjenige, der in mir das "heilige Feuer" der dynamischen Disneywelt entfacht hat: Comics, die unentwegt in Bewegung sind und mit verblüffenden Kameraeinstellungen begeistern.
Dennoch sind diese Eigenschaften leider nie so recht Bestandteil meiner eigenen Arbeit als Disney-Zeichner geworden. Bei mir dreht sich alles mehr um den Charakter selbst, seinen Ausdruck und sein Handeln. Diesbezüglich hat der gute alte Carpi, mein wirklicher Zeichenlehrer, eine sehr wichtige Rolle für die Entwicklung meines Stil gespielt.

LTB-Online: Ihr erster Disney-Comic ist 1989 erschienen, war es schwierig sich von den Vorbildern zu lösen und einen eigenen Stil zu finden?

Silvio Camboni: Ich habe mich zuerst am Stil Cavazzanos orientiert und Carpi hat mich dann beeinflusst. Mit der Zeit kam der eigenständige Camboni hervor.
Heute denke ich, dass mein Stil sehr gut von anderen unterscheidbar ist. Ich würde mich heute in die Gruppe – so man mir zugesteht diese Bezeichnung zu definieren – der "neuen Klassik" einordnen.

LTB-Online: Nahezu jeder italienischer Comic-Künstler erstellt sowohl Maus-, als auch Duck-Comics. Insgesamt kann man schon sagen, dass die Duck-Comics eine größere Popularität als die Abanteuer mit der Maus genießen, was ich persönlich sehr schade finde. Was denken Sie über diese beiden unterschiedlichen Welten im Disney-Kosmos und welche bevorzugen Sie?

Silvio Camboni: Die Ducks sind sehr dynamisch und komisch. Außergewöhnliche Charaktere wie Donald und Dagobert geben einem viele Möglichkeiten.
Ich finde, dass dieses Potential manchmal nicht voll ausgeschöpft wird. Zu oft halten sich Autoren an zu stereotype Handlungsstränge (Donald der Pechvogel, Dagobert der Geizhals ...) statt zur Entwicklung dieser Charaktere beizutragen.
Micky – lasst uns nicht außer Acht lassen, dass er Disneys Markenzeichen ist – wird unglücklicherweise wegen seiner angeblichen Spießbürgerlichkeit kritisiert. Er sei zu weit weg von der Masse der gewöhnlichen Leute – zumindest sagen dies seine kurzsichtigen Verleumder. Tatsächlich ist Micky allerdings ein wundervoller Charakter, der bereits bewiesen hat, dass es ihm möglich ist, unendlich viele verschiedene Rollen zu spielen – ganz so wie beispielsweise bei Scarpa. Dies ist vergleichbar mit den großartigen Schauspielern des amerikanischen Kinos wie De Niro oder Pacino.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Problem nicht bei Micky liegt, sondern bei den Personen, die für ihn schreiben (Frei nach Jessica Rabbit: "Ich bin nicht schlecht, ich bin nur so gezeichnet worden").

Ich persönlich bevorzuge eindeutig die Maus-Comics.


"Das Geheimnis der Sachertorte", LTB 228

LTB-Online: Lesen Sie Disney-Comics anderer italienischer oder ausländischer Künstler? Was denken Sie über die Unterschiede von Disney Italia und anderen Verlegern wie Egmont?

Silvio Camboni: Ich lese weniger und weniger Disney-Story – ich muss zugeben, ihrer etwas überdrüssig zu sein. Ich bin nicht in der Lage über genauen Unterschiede zwischen den beiden Produktionen zu urteilen. Aber ich glaube, ich darf mir erlauben zu sagen, dass es hier einen großen Qualitätsunterschied (vor allem zeichnerischer Natur) zugunsten der Italiener gibt, deren Niveau im allgemeinen noch sehr gut ist. Aber ich fürchte, meine Analyse ist sehr oberflächlich.

LTB-Online: In einigen Ihrer Geschichten spielen Charaktere wie Kommissar Hunter, Inspektor Issel oder auch Kater Karlo entgegen Ihres sonstigen Erscheinungsbildes eine Hauptrolle. Mögen Sie es, diesen Charakteren eine größere Aufmerksamkeit entgegen zu bringen?

Silvio Camboni: Ich denke, dass diese Charaktere sehr stark und vor allem unverbraucht sind. Ja, ich mag es diese Nebenfiguren zu unterstützen, zu sehen, was passiert wenn man sie in den Vordergrund rückt, ob sie dem Druck standhalten können oder nicht. Ich würde gerne mehr Geschichten schreiben als bisher, leider fehlt es mit hierfür an Zeit und Gelegenheit.

LTB-Online: Wenn man einen Blick auf die italienischen Disney-Comics der letzten Jahre wirft, muss man feststellen, dass die Anzahl der Comics mit über 30 Seiten immer weiter zurückgeht. Glauben Sie, dass dieser Trend sich stoppen lassen könnte und wir in Zukunft wieder vermehrt längere Geschichten lesen können?

Silvio Camboni: Ich weiß offen gesagt nicht, was sich unsere "Bosse" genau dabei denken. Ich persönlich glaube, dass die neue Leser-Generation besser mit kurzen, dynamischen Storys zurecht kommt als mit langen, wohl durchdachten. Dies ist allerdings nur ein persönliches Gefühl, ich habe keine Fakten, die diese These unterstützen. Wenn ich Recht haben sollte, werden wir wohl keine Umkehrung dieses generellen Trends in der nächsten Zeit erleben können.

LTB-Online: Was genau sind Ihre Wünsche für die Zukunft auf die Disney-Comics bezogen? Vielleicht gibt es auch einmal die Möglichkeit für Sie, eigene Disney-Charaktere zu entwickeln?

Silvio Camboni: Ich bin aktuell in einer ziemlich beständigen und festen Phase und ich weiß nicht, welche Entwicklungen die Zukunft mit sich bringen wird, da diese immer sehr stark von den Entscheidungen der Disney-Company und der Personen, die dort arbeiten, abhängen.
Ich würde mich weiterhin als einen passionierten Disney-Künstler bezeichnen, so ist es nicht auszuschließen, dass ich an einigen neuen Projekten mitarbeiten werde, vielleicht auch mit neuen Charakteren. Aber noch gibt es dazu nichts zu sagen.


"Ein Fischsitter für alle Fälle", LTB 317

LTB-Online: Abschließend noch einmal eine ganz andere Frage: Wenn man auf Ihrer Homepage silviocamboni.com vorbeischaut, sieht man auch ein Foto von Ihnen vor einem Indiana Jones-Filmposter. Geh' ich recht in der Annahme, dass sie ein Indiana Jones-Fan sind? Wie wäre es denn dann einmal mit einer Comic-Adaption eines der drei Filme?

Silvio Camboni: Ich bin kein wirklicher Fan von Dr. Jones, obwohl ich durchaus eine Menge Spaß hatte seine Filme wieder und wieder zu sehen. Das Foto, dass Sie meinen, wurde vom großen Mastantuono gemacht, in einem dieser Disney-Themen-Parks, in Orlando/Florida. Ich habe es dort nur veröffentlicht, da es mir 'blöd genug' erschien.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen, bezüglich der Film-Adaption:
Ich denke, das wäre nur ein weiteres Projekt in einer langen, langen Reihe. Es wurden bereits zahlreiche Versuche unternommen, und lange nicht alle sind es wert, sich ihrer zu erinnern.
Es wäre nicht sehr originell, vor allem auch da der gute alte Indy etwas aus der Mode gekommen ist...

LTB-Online: Grazie, Silvio Camboni!

Linktipp: http://www.silviocamboni.com

© LTB-Online; Mai 2005