Rosemaries
Töchter (EFFM 11)
Was waren das noch für Zeiten in
den frühen 90er Jahren. Das vereinigte
Deutschland war noch jung und hoffnungsfroh,
Bundeskanzler Kohl frei von Spendenskandalen und
das Wort Castingshow hatten die meisten Deutschen
noch niemals gehört. Aus heutiger Sicht aber mit
Abstand am überraschendsten: Xavi brillierte als
Zeichner!
So betätigte er sich auch als Zeichner bei der
dieses Mal von euch gewählten Geschichte,
"Rosemaries Töchter" aus der
Krimireihe "Ein Fall für Micky".
Natürlich ist das Setting der Storys deutlich
gewöhnungsbedürftig - Micky Maus agiert als
klassischer Privatdetektiv, solo, und seine alte
Liebe Minni Maus arbeitet als Moderatorin und
Reporterin beim Fernsehen. Abgesehen von den
Polizisten Issel und Hunter, die in diesem Umfeld
natürlich nicht fehlen dürfen, und dem
schwarzen Phantom als regelmäßigen Schurken
gibt es in dieser Serie eigentlich keine
Berührungen mit dem "bekannten"
Kosmos.
Wie heißt du denn, mein Kleines?
Insbesondere sind die Geschichten
dieser Reihe immer sehr ernsthaft und oftmals
düster gehalten - ein krasser Gegensatz also zur
heute vorwiegend verwendeten Strategie, dass eine
Story zuerst einmal witzig sein muss, während
der Inhalt nebensächlich ist.
Dieses Mal wird Micky von einem Klientin, die an
Gedächtnisverlust leidet, engagiert. Er soll
ihre Identität aufklären - was recht einfach
klingt, reißt ihn sofort in einen Strudel aus
Verbrechen und düsteren Orten. Zuerst wird er
beim Kundengespräch belauscht, dann scheint
seine Klientin Mitglied im geheimnisvollen Bund
"Rosemaries Töchter" zu sein - ein
Frauen vorbehaltener Verein, der in einem
reichlich mysteriösen Haus logiert und Micky an
der Tür harsch abweist, später werden die Damen
in schwarzen Kutten auf dem Friedhof bei einer
okkulten Tätigkeit angetroffen.
Die Nacht ist nicht zum Schlafen da
Und auch die Polizei, mit ihren
umfangreichen Unterlagen natürlich ein
verlässlicher Informant für die Identität
vermisste Personen, ist überlastet: Die Tochter
des Rockstars Peter Salbei, der sich gerade auf
einer Benefiztour befindet, ist entführt worden.
Und das wurde dann auch noch mit einem Bankraub
kombiniert - ein Vorteil für den Ganoven, wenn
er das Entführungsopfer in der Bank antrifft. Da
Peter Salbei auch noch vollkommen paranoid ist,
sich in seiner Villa verbarrikadiert und nicht
einmal Fotos von seiner Tochter besitzt (um diese
vor Starrummel zu schützen), ist auch diese
Ermittlung nicht eben einfach.
Mit dem Bankraub, der Entführung, dem
Gedächtnisverlust und dem Geheimbund sind damit
in dieser Story nicht weniger als vier
wesentliche Handlungselemente vorhanden - das
stelle man sich heute vor!
Eher untypisch für Disney-Comics
Am Ende ist die Auflösung aller
Fälle eine große - alles hängt zusammen und
ist wirklich sinnvoll miteinander verwoben, alles
passt und der Leser kann durch aufmerksames Lesen
auch prima mitraten. Dabei werden neben den
Hinweisen auf den Ausgang auch zahlreiche falsche
Spuren gelegt, so dass das Ganze auch nicht
langweilig wird oder gar zu frühzeitig eindeutig
in eine Richtung steuert, die dann vorhersehbar
ist - der Überraschungseffekt bleibt erhalten.
Die Geschichte ist wirklich von der ersten bis
zur letzten Seite sinnvoll durchkonstruiert, es
gibt keine Logikfehler, gleichzeitig aber auch
keine Längen, sondern nur eine sinnvolle,
spannende Story - das ist umso überraschender
als diese Geschichte von Egmont produziert wurde;
und der Beginn der Produktion von Kaschperlmicky
war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so sehr fern.
Ebenso verblüffend ist daher auch, dass der
Zeichner Xavi heißt, den man ja eigentlich nur
mit Riesenpinguinen in Verbindung bringt. Hier
aber überzeugt er auf der ganzen Linie, er
brilliert geradezu (angemerkt sei, dass im Rahmen
der "Ein Fall für Micky"-Reihe auch
Miguel und Joaquin fantastische Leistungen als
Maus-Zeichner abgeliefert haben).
Schlussendlich beschert uns Egmont damit in
diesem Fall eine einfach nur gelungene
Kriminalgeschichte, die zeitweise fast zu einem
Thriller wird und die der Leser ganz bestimmt
nicht weglegen möchte, ehe er sie zuende gelesen
hat - man könnte sich gut eine Verfilmung von
Hitchcock von dieser Story vorstellen ;)
Wie vieles aus der EFFM-Reihe eine absolute
Leseempfehlung!
von Carsten Spitz
Autor: |
Henning Kure |
Zeichner: |
Xavi |
Seiten: |
68 |
Veröffentlicht: |
1994 |
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