Die
besten Geschichten aller Zeiten
Platz 3: SEOUL 1988 Olympisches Fieber
(LTB 130, Olympisches Fieber)
Dass den Leser mit dieser Geschichte
etwas ganz besonderes, ja nahezu monumentales
erwartet, wird diesem recht schnell klar gemacht.
Dem ganzseitigen Eröffnungspanel folgt nämlich
ein weiteres, sogar doppelseitiges,
wunderschönes Motiv, das mehr als nur Vorfreude
zu wecken weiß. Vorfreude auf das, was sich der
große alte Geschichtenerzähler der
italienischen Comickunst Romano Scarpa hier
wieder einmal ausgedacht hat. Auf 250 Seiten hat
Scarpa hier ein Werk geschaffen, bei dem man
nicht weiß, ob die wunderschönen Zeichnungen
oder die überaus einfallsreiche Geschichte mehr
zu gefallen wissen. Auf jeden Fall handelt es
sich bei dieser ausnahmsweise auch einmal
in Deutschland zeitnah erschienenen
Geschichte um einen mehr als nur würdigen Comic
zu den Olympischen Spielen '88.
Ein Eröffnungspanel, das es in sich hat
Alles beginnt damit, dass Daniel
Düsentrieb mit dem Physik-Knobelpreis für die
Gesamtheit seiner außergewöhnlichen Erfindungen
augezeichnet wird. Seine neueste Errungenschaft
ist die sogenannte Vidrium-Linse, die
hochwertigste überhaupt, mit der Onkel Dagobert
Weltmarktführer auf dem Kamera-Markt wird und
selbst Klaas Klever muss für seine
Kamera-Produktionen widerwillig auf die
Duck-Linsen zurückgreifen.
Das einzige Problem ist nun, dass es für diese
besonderen Linsen den sehr seltenen blauen
Quarzsand bedarf und dieser bei der hohen
Nachfrage nach Kameras (Schließlich stehen die
Olympischen Spiele bevor und hochwertige Kameras
werden in Hülle und Fülle benötigt) bereits
erschöpft ist. Im Norden des Death Valley, einem
Wüstengebiet, soll sich allerdings noch etwas
blauer Quarzsand abbauen lassen. Onkel Dagobert
macht sich schnell auf den Weg dahin, wird
allerdings von zwei weiteren Parteien bespitzelt
und unauffällig verfolgt: Klaas Klever und Kuno
Knäul!
Klever will natürlich Dagoberts Unterfangen mit
allen Mitteln sabotieren und damit verhindern,
dass dieser sich eine noch goldenere Nase
verdient als ohnehin schon. Knäul hat sich nach
Absprache mit Gitta entschlossen widerum Klever
auszuschalten um aus Dankbarkeit Onkel Dagoberts
Geschäftspartner zu werden.
Vor Ort entwickelt sich die ganze
Geschichte dann aber etwas anders als gedacht,
Kuno Knäul entdeckt als einziger etwas blauen
Quarzsand und entschließt sich kurzerhand dazu,
selbst in das Geschäft mit den Vidrium-Linsen
einzusteigen. Nach einer ausdauernden
Streitigkeit über die Besitzrechte an dem
vermeintlich bläulichen Sand (es wird sogar ein
Anwalt bemüht, den Streitigkeiten ein Ende zu
bereiten) stellt sich allerdings heraus, dass es
sich bei dem Fund um ganz gewöhnlichen Sand
handelt und Knäul ein Opfer seiner Farbblindheit
geworden ist. "Viel Lärm um nichts"
bezeichnet dieses Kapitel wohl recht treffend.
Und auch die Bezeichnung
"Kapitel" ist angebracht, werden doch
im nun folgenden Verlauf der Story unsere bisher
agierenden Charaktere ausgeblendet und ein Blick
auf Tick, Trick, Track sowie ihren
südkoreanischen Freund Kim geworfen. Der junge
Student Kim trainiert für die Teilnahme an den
Olympischen Spielen im Land seiner Geburt. Dort
will er mit der Entenhausener
Volleyballmannschaft für Furore sorgen. Als er
einen der Neffen mithilfe eines bläulichen
Zauberstaubs von einem blauen Auge befreit, muss
er den Duck-Neffen alles über die Herkunft des
Pulvers und die Geschichte seines Landes und
seiner Jugend erzählen.
Das Pulver des Anstoßes
Schon in seiner Kindheit hatte Kim
in seiner Heimat Volleyball gespielt. Und zwar
über eine hohe Bambusmauer, die zugleich die
Grenze zum verfeindeten Nordkorea darstellte. Auf
der Gegenseite stand die junge Chen Dai-Sim. Die
beiden Kinder kannten sich nur von über die
Mauer gereichten Fotos und einem einzigen
kurzweiligen (weil natürlich untersagtem)
Ausflug Kims auf die andere Seite. So verbrachten
die beiden jungen Koreaner viel Zeit miteinander,
immer getrennt durch die landeseigene Grenze.
Durch Chen Dai-Sims Umzug verloren sich die
beiden dann leider aus den Augen.
Besagtes Wunderpulver nun hatte er von seiner
etwas verschrobenen, abgeschottet lebenden Tante
bekommen, welches ein in ihren Kochtopf fallender
Komet ihr gebrach hatte. Das Pulver beschleunigt
die Zeit des mit ihm in Berührung kommenden,
führt also auch zu einem schnelleren Verheilen
von Wunden.
Onkel Dagobert hat wieder in
der Gegenwart angekommen natürlich ganz
andere Ziele, ist er doch noch immer auf der
Suche nach blauem Quarzsand und lässt aus Kims
Sand von Daniel Düsentrieb probeweise eine Linse
für eine Filmkamera erstellen.
Es stellt sich heraus, dass die scheinbar
außerirdischen Kräft des Sandes noch immer
wirken: So nimmt die Kamera nicht etwa die
Gegenwart auf, sondern wagt einen Blick mehrere
Tage in die Zukunft.
Diese Erkenntnis bringt die imaginären
Registrierkassen der reichsten Ente der Welt zum
Klingeln: Welch ein Vermögen könnte er damit
machen, wenn er als Einziger schon Tage vor den
einzelnen Disziplinen mit seinen Medienanstalten
über die Sieger der Olympischen Spiele berichten
könnte?
Ungewohnte
Versammlung im Norden Entenhausens
Doch wo potentieller Erfolg, da sind
auch Neider und Figuren, die diesen lieber für
sich hätten. So bekommt Kater Karlos
Dauerfreundin Trudi von der spektakulären Kamera
Wind und informiert ihren Göttergatten sowie
Kralle. Ja, in der Tat jetzt greift auch
das Mausuniversum in die Handlung ein. Die drei
Ganoven engagieren die mit dem Duckschen
Geldspeicher besser vertrauten Panzerknacker und
in der Tat gelingt es dem neuen Syndikat des
Bösen, die Zuvika (so die Abkürzung für die
Zukunftsvideokamera) in den Besitz zu bekommen.
Die Knacker selbst waren allerdings nicht mehr
als Handlanger für Karlo, Trudi und Kralle. Die
drei sperren die Panzerknacker ein und liefern
diese der Polizei aus. Im folgenden sollen die
Qualitäten der Kamera durch Betrug bei
Wettspielen etc. zu Geld gemacht werden um sich
dann ins Ausland abzusetzen und den Reichtum in
allen Zügen zu genießen.
Hier kommt Dauer-Spielverderber
Micky Maus ins Spiel. Dagobert beauftragt ihn und
seinen guten Freund Maxi Smart (hier: Bruno) sich
den Dreien an die Fersen zu heften und die Zuvika
zurückzubekommen. Während sich Karlo und Trudi
bereits auf Hali-Gali vergnügen, macht Kralle
noch mit Hilfe des wertvollen Diesbesgutes ein
kleines Vermögen, um dann nachzukommen. Durch
Kralles von außen gesehen ungewöhnliche
Glückssträhne kommen ihm auch Micky und Bruno
auf die Spur und reisen anstatt seiner mit dem
nächsten Flugzeug nach Hali Gali um den beiden
"alten Freunden" Karlo und Trudi einen
Besuch abzustatten. Kralle war es zuvor nämlich
noch gelungen, die Kamera auf besagte
Südseeinsel zu verschicken.
Nach einem spannenden und (für Auftraggeber
Onkel Dagobert) kostenintensivem Abenteuer
gelingt es Micky und Bruno die Kamera wieder zu
ergattern und beim hocherfreuten Dagobert
abzuliefern. In diesem Augenblick kennt dieser
allerdings auch noch nicht die gesamte
Spesenliste. ;)
Auf der Reise zurück muss ihr Flugzeug in
Nordkorea notlanden und wie es der Zufall
so will, treffen die beiden auf Kims Freundin
Chen, die sich ebenfalls für die Abfahrt zu den
Olympischen Spielen bereit macht. Anders als der
Leser kennen Micky und Bruno die reizende junge
Sportlerin aber nicht und so bleibt es der
Leserphantasie überlassen, was da im weiteren
Geschichtsverlauf noch kommen mag.
Die Maus ist verabschiedet, Zeit die
nächste Komponente in die Geschichte mit
einzubinden.
Günstige Helfer in der Not: Micky und Bruno
König Astroduck und seine Duckoiden
mit ihrem puddingförmigen Raumschiff (Bekannt
aus "Kampf ums Gold" aus LTB 81) sind
nämlich wieder auf dem Anflug auf die Erde
benötigen sie doch wieder einmal Gold als
Treibstoff für ihr Raumschiff. Zufälligerweise
(und ja, Zufälle gibt's dann in der ganzen Story
doch ein paar...) landen diese nun genau bei der
aus Kims Erzählungen bereits bekannten Tante mit
dem magischen Pulver. Sie schafft es die
seltsamen Außerirdischen mit einem Schlafmittel
in ihrer Suppe zu betäuben und lässt via Kim
die Ducks um Hilfe rufen.
Als die gute Frau von Dagoberts Kamera erfährt
beschließt sie, quasi als diejenige die mit
ihrem Pulver dieses Werk "für dass die
Menschheit noch nicht reif sei" verursacht
hat, auch für dessen Zerstörung zu sorgen.
Doch zunächst sind da noch die Duckoiden, die
aus ihrem Tiefschlaf erwachen und von ihren
Plänen berichten anstelle von Dagoberts
Geldspeicher nun die in Seoul gebunkerten
Goldmedaillen für die potentiellen Olympiasieger
mitnehmen zu wollen. So die Regeln auf der Erde
dies voraussetzen, würden eben die mit
übermenschlichen Kräften versehenen Gehilfen
von König Astroduck, Sock und Gonz, an den
Spielen teilnehmen.
Um das zu verhindern bietet Kim den
Außerirdischen einen sportlichen Wettkampf an,
den dieser mit etwas Unterstützung seiner Tante
dann auch tatsächlich gewinnt. Im Gegenzug
müssen die Duckoiden die Goldmedaillen
unberührt lassen, werden vom ungewohnt
großzügigen Dagobert aber für ihr faires
Verliererdasein belohnt.
Diese Geste im Angesichts der
sicheren Millionen durch sein kleines Wunderding
mit Namen Zuvika hätte er sich aber vermutlich
gespart, wenn er mitbekommen hätte, dass Kims
Tante ihren Plan in die Tat umgesetzt und das
kleine Wundermaschinchen mit der übersinnlichen
Linse sabotiert hat...
Onkel Dagobert macht seine
Errungenschaft jedenfalls jetzt öffentlich und
beginnt mit den Filmaufnahmen in Seoul. Obwohl
die Olympischen Spiele noch ein paar Tage auf
sich warten lassen, lässt sich der Einlauf des
Fackelträgers bereits mit ihr beobachten. Dann
gibt die Kamera allerdings nach und nach ihren
Geist auf und ist ebenso wie Onkel Dagobert (am
Boden) zerstört. Im Grunde ereilt spätestens da
den Leser die Einsicht, dass es den Sport ja im
Besonderen ausmacht vorher NICHT zu wissen, wie
es ausgeht. Onkel Dagobert sieht das zu diesem
Zeitpunkt allerdings aus nachvollziehbaren
Gründen ein wenig anders.
Dies ändert sich allerdings schlagartig als Kim
auf einer alten Aufzeichnung der Zuvika seine
alte Freundin Chen Dai-Sim erblickt wie sie, in
einem Pool des Olympiagelände schwimmend, von
ein einem herabsinkenden riesigen Werbeballon
erdrückt zu werden droht. Die Uhr auf der
Videoaufzeichnung zeigt an, dass nur noch wenige
Minuten verbleiben um das in der Gegenwart
nahende Unglück zu verhindern.
So macht sich die ganze Duck-Sippe mit Kim so
schnell wie möglich auf zum Olympiagelände und
dort gelingt es Kim in allerletzter Sekunde in
den Pool zu springen und seine seit Jahren
vermisste Freundin zu retten. Ein Happy End, wie
es schöner kaum hätte geschrieben werden
können.
"Olympisches Fieber" ist
die längste Geschichte überhaupt, die in einem
einzelnen LTB abgedruckt worden ist. Langeweile
kommt dennoch nicht auf, da die einzelnen
unterschiedlichen Teilhandlungen Abwechslung
garantieren und schließlich doch gelungen
miteinander verbunden zu einem sehr
gelungenen "großen Ganzen" werden.
Die Geschichte hat fast alles zu bieten: Einen
Duck'schen Wettstreit mit der
Geschäftskonkurrenz, einen packenden
Maus-Kriminalfall mit allerlei Bösewichten, eine
übersinnliche Komponente im Wettstreit mit den
Außerirdischen und nichtzuletzt eine wirklich
rührige Liebesgeschichte.
Und anders als andere Projekte, die es allen
rechtmachen wollten und sich damit übernehmen,
dürfte dieses Ergebnis auch wirklich fast jedem
gefallen. Ganz nebenbei gelingt unaufdringlich
eine kritische Auseinandersetzung mit dem
geteilten Korea und weiteren politischen
Unruheherden auf der ganzen Welt. Scarpas Aufruf
zu mehr grenzenüberschreitender Toleranz und
Menschlichkeit.
Ein Platz unter den Top 3 der allerbesten
LTB-Geschichten aller Zeiten scheint da nur
angebracht.
von Christian Peters
Autor: |
Romano Scarpa |
Zeichner: |
Romano Scarpa (Ink: Luciano
Gatto, Maurizio Amendola,
Sandro Del Conte, Valerio Held |
Seiten: |
250 |
Veröffentlicht: |
1988 |
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