Wissen
ist Macht (LTB 134, Traum oder Wirklichkeit?)
Die Zukunft, das unbekannte Wesen.
Was wäre es doch prima, mal einen Blick in die
ferne Welt des Morgen werfen zu können - und sei
es nur, um sich die Lottozahlen zu besorgen.
Um wieviel bitterer muss es dann noch sein, in
der Zukunft herumzulaufen in dem sicheren Wissen,
bald darauf wieder in die gewohnte Umgebung der
Gegenwart zurückgerissen zu werden, ohne sich an
das Erlebte erinnern zu können.
Glaubt man dem LTB, war das die Motivation des
bekannten Propheten Nostradamus, seine
Voraussagen zu tätigen - und auch die
schwammigen Aussagen in Verbindung mit
mannigfaltigen Interpretationsmöglichkeiten
erleben ihre Begründung - aber der Reihe nach.
Entertainment, das Wunder der Neuzeit
Micky Maus und Goofy hat es bei
einer Zeitreise ins Jahr 1515 verschlagen, wo sie
kurz vor Weihnachten in Frankreich eine Mission
bestreiten. Der Inhalt dieser Aufgabe bleibt
verborgen und ist auch nicht von Bedeutung, denn
viel spannender sind die Folgen, die ihr Trip in
die Vergangenheit dieses Mal auslöst. Sie
treffen auf den neugierigen und vorwitzigen,
zudem in Reimen sprechenden Knaben Michel, der
sich nicht abschütteln lässt und daher
gemeinsam mit dem Duo den Weg in die Gegenwart
antritt. Die Chance beim Schopf packend zerstört
er die Bedienelemente der Zeitmaschine gleich
nach der Ankunft und sorgt damit dafür, dass er
ein paar Tage im Entenhausen der Gegenwart
zubringen darf. Dort wird er mit den üblichen
Kulturschocks konfrontiert, die ein solcher
Zeitensprung zwangsläufig mit sich bringt.
Autos, Kino, Fast Food - wer hätte an sowas im
Jahr 1515 auch nur einen Gedanken verschwendet?
Fantastische Träumereien
Der kleine Michel zeigt sich aber
ausgesprochen clever und schafft es nahezu
spielend, sich auf seine neue Umgebung in
Rekordtempo einzustellen. Doch die
offensichtliche Intelligenz und der Wissensdrang
des Jungen sorgen natürlich für Verdruss - erst
für Micky und seine Freunde, die versuchen, ihn
davon abzuhalten, allzuviel über die Zeit seit
1515 zu erfahren, später für ihn, als er
erfährt, dass er die Erinnerung an seine Reise
komplett verlieren wird, wenn er nach Hause
zurückkehrt. Doch mit ausreichend
Einfallsreichtum und Dreistigkeit versehen findet
der wackere Franzose auch für dieses Problem
eine naheliegende Lösung: In einem
unbeobachteten Moment reißt er einfach
bergeweise Seiten aus diversen Büchern über die
Geschichte, um sich erinnern zu können. Das tut
er jedoch ohne System, so dass er nur
unzusammenhängende Fragmente der Geschichte mit
nach Hause retten kann. Und was macht man mit
bruchstückhaftem Wissen über die Zukunft?
Natürlich, schwammige Prophezeiungen. Und da
schließt sich der Kreis, denn der kleine Junge
wird später unter dem Namen Nostradamus Karriere
machen und die Menschen bis heute mit seinen
Voraussagen beschäftigen.
Erkenntnisgewinn im Funzellicht
Diese Variante der Visionen des
Nostradamus (oder Michel de Notredame, wie sein
echter Name ist, was wir am Ende der Geschichte
erfahren) ist ausgesprochen fantasievoll angelegt
und einer der absoluten Höhepunkte der
Geschichten rund um die Zeitmaschine. Als
Zeichner fungiert Massimo de Vita in seiner
allerbesten Zeit, in der er vor allem bei den
Mäusen brilliert hat wie (fast) niemand sonst.
Mit seinem unverwechselbaren Stil sorgt er damit
automatisch schon für einen (49 Seiten
andauernden) Höhepunkt der Story, die aber
natürlich vor allem durch die fantasievolle
Handlung von Massimo Marconi geschaffen wird.
Allein schon die Idee, dass Nostradamus seine
Prophezeiungen einem Trip in die Zukunft
verdankt, ist wunderbar. Der mit einer
unfassbaren Auffassungsgabe gesegnete Michel ist
ein trotz seinr Vorwitzigkeit sehr schön
angelegter Charakter, der von der ersten Minute
an die Sympathien auf sich zieht und durch den
Marconi auch so manche Meinung, die er offenbar
über die heutige (bzw. damalige, die Geschichte
wurde 1987 geschrieben) Gesellschaft hat,
äußern kann. Bemerkenswerterweise spricht der
kleine Nostradamus wirklich die ganze Geschichte
über ausschließlich in Reimen, die zudem auch
noch nie wirklich aufgesetzt wirken, sondern
stets authentisch. Dafür gilt natürlich auch
der Übersetzung ein dickes Lob, der es gelungen
ist, die Reimsprache ins Deutsche zu übertragen.
von Carsten Spitz
Autor: |
Massimo Marconi |
Zeichner: |
Massimo de Vita |
Seiten: |
49 |
Veröffentlicht: |
1987 |
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