Micky und die Erbschaft von Goofy Goofinger (LTB 9, Micky ist der Größte)

Was mag es sein, das Freunde zu Feinden macht, Vertrauen in Angst umschlagen lässt und den persönlichen Horizont um nie gekannte Abgründe erweitert? Habgier, Neid, vielleicht Enttäuschung?
Nun, nicht unbedingt. Manchmal reicht auch schon eine vollkommen leere Pralinenschachtel und die Konsequenzen, die sie mit sich bringen kann, um innige, langgehegte persönliche Beziehungen auf eine schwere Probe zu stellen. Schokolade ist also nicht nur ein Seelentröster, sondern kann sich durchaus auch als das komplette Gegenteil darstellen. Wer hätte das gedacht?


Zu gut kostümiertes Rumpelstilzchen

Auslöser des ganzen Ungemachs ist nichts weiter als ein Testament, mit dem Goofys entfernter Onkel Goofy Goofinger all sein Vermögen ausgerechnet Gammas Hund Fips vermacht - aber nur, wenn dieser eine leere Pralinenschachtel von der lange geschlossenen und fast vergessenen Firma Zuckerli beibringen kann, die eine Pralinenschachtelsammlung vervollständigen würde. Nur, woher nimmt man eine solche Schachtel? Abgesehen davon, dass derlei Dinge gerne als Verpackungsmüll dem Abfall übergeben werden, gab es zu damaligen Zeiten keine großen Verkaufsplattformen wie Ebay. Klinken putzen war also angesagt.
Micky macht sich mit Goofy auf die Suche nach der Schachtel für Fips, während Gamma, obwohl körperlich anwesend, sich dabei ausgesprochen passiv verhält. Und die Suche ist auch nicht so recht von Erfolg gekrönt: Zwar gelingt es Micky, die ein oder andere Schachtel Zuckerli aufzutreiben, aber stets ist ein kleinwüchsiges Phantom ihm einen Schritt voraus und vernichtet das gute Stück.


Das Ende des Kaschperl

Was könnte den Ganoven dazu treiben? Und woher weiß er stets Bescheid? Das sind die Fragen, die Micky umtreiben, wenn er wieder eine Schachtel Zuckerli im letzten Moment aus den Fängen gleiten lassen muss. Während es sich zunehmend schwieriger gestaltet, noch Exemplare der Pralinenschachteln aufzutreiben - es muss sogar ein uralter Film neu gedreht werden, in dem Micky und Goofy dereinst die Hauptrollen übernommen hatten -, schreitet die Suche nach dem mysteriösen Verhinderer nicht recht voran. Doch ewig gelingt es dem Wesen nicht, seine Identität zu schützen. Nicht gegen Micky, den gewitzten Detektiv. Und so kommt es, nachdem zum x-ten Mal eine Schachtel gefunden wurde, zur Enttarnung: Ausgerechnet Gamma war es, der stets dafür zu sorgen versuchte, dass sein Hund die Erbschaft Goofy Goofingers nicht antreten könnte. Sein Motiv: Eine Geldallergie. Er befürchtete, niemals mehr mit seinem Freund zusammensein zu können. Das ist zwar nachvollziehbar, aber die Wahl seiner Mittel gibt doch zu Fragen Anlass ;)
Zum Glück wird am Ende aber für alle Beteiligten alles gut.


Hausgenosse mit Renovierungsbedarf

Die Geschichte lebt vor allem von der Komik, die bei der Suche nach den vielen Schachteln entsteht - zu jeder wissen Bottaro und Chendi eine außergewöhnliche und lustige Geschichte zu erzählen, die von Carpi ziel- und stilsicher umgesetzt wurde. Die gleichzeitige Verwebung mit der mysteriösen Gestalt des Phantoms, dessen Identität bis zum Ende im Dunkeln bleibt und damit Elemente des beliebten Whodunit-Konzepts integriert, sorgt gleichzeitig für die richtige Stimmung die richtige Balance der Geschichte, die einen steten Wechsel aus den lustigen Episoden der Schachtelsuche und der mysteriösen und düsteren Elemente mit dem Phantom erzeugt. Momente, die für immer in Erinnerung bleiben, werden dabei aber vor allem von den komischen Teilen erzeugt und von den wahrlich skurrilen Charakteren, die ihre Schachteln nur unter eigenartigen Voraussetzungen herausgeben wollen. In diesen Momenten schlägt auch die Stunde von Carpi, der die Story mit wunderbarer Situationskomik endgültig im Bewusstsein der Leser verankert und dafür sorgt, dass man auch nach vielen Jahren noch gerne zu ihr greift.

von Carsten Spitz

Autor: Luciano Bottaro + Charlo Chendi
Zeichner: Giovan Battista Carpi
Seiten: 67
Veröffentlicht: 1961