Donald, Prinz von Duckenmark (LTB 58, Donald, der Held des Tages)

William Shakespeare kann man allerlei vorwerfen. Eines aber ganz bestimmt nicht: Dass er unproduktiv gewesen sei. Und nicht zuletzt auch das LTB hat von der enormen Zahl seiner Werke profitiert, gibt es doch Adaptionen von vielen, vielen seiner Stücke - sei es Romea und Julia, sei es Der Kaufmann von Venedig, sei es Ein Sommernachtstraum, sei es Othello.
Und in der Reihe darf dann natürlich auch Hamlet nicht fehlen, die blutrünstige Geschichte des Prinzen von Dänemark, in der es um Verrat geht, um Wahnsinn und um Mord. Vor allem um Mord. Insofern verwundert es wenig, dass die LTB-Adaption von Gian Giacomo Dalmasso und Giovan Battista Carpi eher frei an das eigentliche Drama angelehnt ist und nur einige zentrale Elemente übernimmt, vor allem aber die ganzen Leichen Leichen sein lässt und andere Mittel und Wege findet, die Konflikte zwischen den Figuren aufzulösen.


Grübeln tut not, wenn das Amt zur Pflicht ruft

Als Rahmenhandlung sehen wir Donald, der grübelnd darüber nachsinnt, ob er seine Steuern bezahlen soll, dabei ausrutscht und im Anschluss verletzt das Bett hütet. Als Lektüre hat - wie könnte es jetzt auch anders sein - Shakespeares Hamlet, und was die blühende Fantasie unseres Lieblingserpels daraus macht, ist auch keine große Überraschung: Einen spannenden Traum rund um Donald, den Prinzen von Duckenmark.
Nach dem Tod seines Onkels, dem König, ist Donald als Erbprinz von Duckenmark an der Reihe, den Thron zu besteigen. Er ist sich aber nicht so recht sicher, ob er nicht auf dieses Erbe verzichten soll - denn auf den neuen König wartet ein Wettessen mit dem Herrscher von Krötenland; ein solches war bereits der Grund für das Dahinscheiden des Onkels.
Sein Vetter Gustav aber will den Thron besteigen - er ist die Nummer 2 in der Thronfolge und ist daher gewillt, Donald von dessen Verzichtsabsichten vollends zu überzeugen. Und ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode; denn König zu sein ist ihm lieber als seinen verhassten Rivalen unterworfen zu sein.


Selbstbewusstsein oder Arroganz?

Was bietet sich da besser an als eine heitere Gespenstergeschichte? Als der Konkurrent zufällig in der Dunkelheit auf einem Friedhof steht, nutzt man die Chance und kostümiert sich als Geist, um die nötige Angst zu erzeugen - mit Erfolg. Donald verzichtet auf den Thron, Gustav wird neuer König von Duckenmark. Aber nur, bis Donald hinter den Trick kommt. Zu diesem Zeitpunkt ist auch der König des Krötenlands bereits über einen neuen Herrscher informiert und will diesen zum Wettessen einladen. Die cleveren Erbenneffen Tick, Trick und Track, auf Donalds Seite stehend, haben aber schon mit einem raffinierten Trick rund um Bestechung und Gemüse dafür gesorgt, dass jener einen Groll hegt auf König Gustav - denn er ahnt nicht, dass etwas faul ist im Staate Duckenmark. Dumm nur, dass Donald ausgerechnet zu dieser Zeit sein Erbe wieder an sich bringt und dem wütenden Krötenländer als neuer König gegnübersteht. Aber wir sind ja bei Disney, und so gibt es auch hier keine Toten, sondern eine Happy End für alle Guten. Und der Rest ist Schweigen.


Zucchini im Kampf gegen das Böse

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage, um die sich alles dreht. Will man ein König sein? Will man es nicht? Und wenn nicht, was will man dann? Dalmasso und Carpi nehmen den Leser mit auf eine wilde Achterbahnfahrt durch die Gefühle und Regungen des Donald-Hamlet, der stets in seiner Meinung schwankt und sich nicht entscheiden kann, ob er den Thron für sich beanspruchen soll oder lieber nicht. Das geschieht auf teilweise ein wenig absonderliche Weise, aber immer kreativ, immer originell und immer unterhaltsam. Auch wenn aus dem eigentlichen Shakespeare-Werk nur Versatzstücke und Motive erhalten sind, während die eigentliche Handlung bestenfalls am Rande vorkommt (und im Vorlauf einmal bewusst auf die Spitze getrieben zusammengefasst wird), überzeugt die Story als eigenständige Geschichte, die für sich geeignete Mittel und Wege findet, um das muntere Schlachten der Vorlage zu umgehen und es durch kindgerechtere Umstände zu ersetzen. Einige Gags ragen schon fast ins Absurde und unterstreichen einen in Teilen fast schon surrealen Eindruck von der Story, der aber keineswegs stört, sondern das träumerische Element der Handlung nur verstärkt - schließlich stecken wir ja in Donalds Kopf. Und außerdem gibt es bekanntlich mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als nusere Schulweisheit sich träumen lässt. Die wunderbar passenden Zeichnungen von Carpi präsentieren Dalmassos Geschichte im richtigen Licht, insgesamt wird der Leser hier 75 Seiten lang hervorragend unterhalten - wobei man noch den Eindruck hat, dass die Geschichte ein absolut hohes Tempo vorlegt und so keinerlei Längen aufkommen. Wunderbar.

von Carsten Spitz

Autor: Gian Giacomo Dalmasso
Zeichner: Giovan Battista Carpi
Seiten: 75
Veröffentlicht: 1960