Gestrandet! (LTB 360, Spiel auf Zeit)

Debüts. Wann immer ein neuer Künstler die Bühne der Comicwelt betritt, hat er eine große Chance: Er passt noch in kein Raster und wird unvoreingenommen betrachtet - nicht zuletzt daher wird bei der eigenen Premiere gerne etwas ungewöhnliches ausprobiert. Manchmal geht das ganz fürchterlich in die Hose (man denke nur an Mardon Smets Erstling "Das Vermächtnis" um den Ur-Phantomias und dessen Linsensucht!), manchmal aber sorgt das für absolute Höhepunkte der Comickultur. Einen solchen Fall haben wir hier, beim Zeichen-Debüt von Rune Meikle, der sich bis dahin eher als mäßig überzeugender Autor präsentiert hatte.


Geröstetes Obst am Spieß

Das Schiff, auf dem Dagobert Duck unterwegs ist, sinkt im Bermuda-Dreieck und der alte Mann wird an die Küste einer einsamen Insel gespült. Dort muss er sich nicht nur dem Inselleben, einfach und ohne Luxus, anpassen, sondern sich nach kurzer Zeit vermeintlich auch seiner Haut erwehren: Ein zweites Wesen lebt auf jener Insel. Und als vertrauensselig ist Dagobert Duck nun wahrlich nicht bekannt. Doch wo Schatten ist, ist auch Licht: Bald stößt er nicht nur auf ein Schiff, das aus unerfindlichen Gründen in der Mitte der Insel auf einem Berg liegt, sondern auch auf eine Hütte, in der dereinst ein Piratenkapitän gehaust hatte, dem das gleiche Schicksal widerfahren war und der den Rest seines Lebens auf der Insel verbringen musste.


Die Götter also, die fiesen

Eine Wendung nehmen die Dinge, als das zweite lebende Wesen auf der Insel sich offenbart: Es handelt sich um Uggi-Buggi, eine junge Frau aus der Region, die ebenfalls auf der Insel gestrandet ist. Naheliegenderweise tut man sich zusammen und versucht gemeinsam, einen Weg von der Insel zu finden - und nicht nur das: Es zeigt sich, dass der Pirat nicht nur sein Schiff und seinen skelettietren Körper, sondern auch einen Schatz auf der Insel zurückgelassen hat. Es stehen also zwei Aufgaben an für Dagobert und Uggi-Buggi: Den Schatz heben und die Insel verlassen.
Ersteres gelingt recht rasch, liegen die Kostbarkeiten doch in einer Höhle direkt unter der Hütte des Piraten, zweiteres ist schwieriger zu realisieren. Aber auch hier ist der Geistesblitz nicht fern: Da sich die Schatzhöhle als mit Lava angefüllt präsentiert, beschließt man, einfach Wasser in diese zu leiten und die Insel durch den entstehenden Druck zu sprengen, während man sich auf das Schiff begibt. Ein guter Plan, der voll durchschlägt. Das einzige Problem, das während all der Zeit entsteht: Uggi-Buggi verliebt sich in ihren griesgrämigen Leidensgenossen Dagobert - und dieser auch in sie. Doch wie man das so kennt von der reichsten Ente der Welt, schafft er es nicht, sich seine Gefühle einzugestehen und verlässt die Gegend wieder - alles andere hätte Gitta aber wohl auch zu sehr geärgert ;)


Physisch oder psychisch reich, der ewige Konflikt

Rune Meikle hat mit dieser Story eine sehr ungewöhnliche Geschichte abgeliefert (die er dem Robinson-Crusoe-Autoren Daniel Defoe widmet). Allein schon die Figurenkonstellation ist außergewöhnlich: Dagobert Duck ist der einzige bekannte Charakter, und in weiten Teilen besteht die Handlung dann nur aus dem Zusammenspiel aus Dagobert und Uggi-Buggi. Die Story ist dabei in sich schlüssig, logisch und ergibt einen Sinn - bei neueren Machwerke aus der Egmont-Schmiede wahrlich auch keine Selbstverständlichkeit. Den größten Ertrag zieht sie aber aus den Zeichnungen von Meikle, die ebenfalls sehr ungewöhnlich sind. Er löst sich völlig von bekannten Seitenlayouts und gestaltet seine Seiten so, wie es ihm passt. Panelränder sind oft nicht einfache schwarze Striche, sondern selbst kleine Kunstwerke, voller Verzierungen. Auch wenn Dagobert Duck insgesamt für das Disney-gewohnte Auge etwas ungewohnt aussieht und man sich diesen Stil letztlich schwerlich für die gesamte Duck-Familie vorstellen kann, weiß die Figur durch ihre Andersartigkeit zu überzeugen - insbesondere auch in dem ja ebenfalls andersartigen Umfeld. Die starke Übersetzung liefert Gags zur rechten Zeit und damit eine Auflockerung der Geschichte, die ansonsten aber sehr ernst vonstatten geht (und damit auch einen Gegenpol zu Egmont-Geschichten bildet, die ja oftmals reichlich alberne Elemente enthalten) und dabei geschickt Stimmungen vermittelt, die zwischen düster und fröhlich schwanken, stets der Situation aufs Sensibelste angepasst. Es ist zu hoffen, dass von Rune Meikle in den kommenden Jahren noch viel zu sehen sein wird.

von Carsten Spitz

Autor: Rune Meikle
Zeichner: Rune Meikle
Seiten: 40
Veröffentlicht: 2007