Der unwillige Nikolaus (LTB Sonderband 5, Weihnachten in Entenhausen)

Weihnachten. Jedes Jahr kommt wieder die Zeit, in der die Gesellschaft den Menschen Gelegenheit, Zeit und insbesondere auch ein Motiv einräumt, sich ihrer Wurzeln zu besinnen, zur Ruhe zu kommen und gemeinsam mit der Familie Zeit zu verbringen. An Arbeit mögen die meisten dabei nur ungern denken, und wer auch immer es nicht vermeiden kann, an diesen Tagen zu arbeiten, versucht doch, die Zeit im Dienst möglichst kurz zu halten - das gilt zumindest für die allermeisten. Aber nicht für alle. Für einen gilt das ganz besonders nicht: Für den Weihnachtsmann. Es ist schwer vorstellbar, was für einen unsagbaren Stress der Geschenkeverteiler aus Lappland an Weihnachten haben muss, um all die kleinen und großen Kinder, die auf seinen Besuch warten, zufriedenzustellen - selbst mit all den magischen Tricks, mit Helfern und Helfershelfern. Die Arbeit ist enorm. Und daher ist es gar nicht mal so verwunderlich, dass der Mann mit dem langen, weißen Bart darauf nach all den Jahren nicht mehr so sehr viel Lust verspürt.


Willensstarker Weihnachtsmann

Da kommt es ihm doch ganz gelegen, dass es Menschen gibt, die nicht so recht daran, glauben, dass er überhaupt existiert. Solche sind zum Beispiel Issel und Steinbeiß, ihres Zeichens Polizisten. Und was ein guter (naja, zumindest motivierter) Polizist, der kann es natürlich nicht dulden, wenn eine Gestalt sich Zugang zu fremden Häusern verschafft und dann auch noch mit einem großen Sack voller Spielzeug wieder herauskommt. Was liegt also näher, als diese wunderliche Gestalt zu verhaften? Und so kommt es dann, dass der Weihnachtsmann den heiligen Abend nicht damit zubringt, den Kindern Geschenke zu bringen, sondern mit Kater Karlo gemeinsam im Gefängnis zu brummen - natürlich nicht, ohne vorher seiner roten Kleidung entledigt und ausgiebig rasiert worden zu sein.


Da kommen doch noch zwei Türchen!

Und das sorgt für reichlich Irritation. Kommissar Hunter probiert die Weihnachtsmann-Klamotten an und wird von dessen Wichtel-Helfern entführt, während der eigentlich Gesuchte mit Karlo gemeinsam das Fest verbringt - außerhalb des Gefängnisses natürlich, denn auszubrechen ist für jemanden, der durch jeden noch so engen Schornstein rutschen kann keine sonderlich schwere Übung. Während der entführte Hunter den Wichteln seine wahre Identität offenbart (und ihnen ob ihrer laschen Arbeitseinstellung tüchtig ins Gewissen redet), wird der Weihnachtsmann ausgerechnet von Karlo selbst bekehrt und wieder von den Werten überzeugt, für die Weihnachten heutzutage steht.


Investigative Polizeiarbeit

Die Geschichte endet zwar gewohnt weihnachtlich-schmalzig (was aber bei einer für Kinder geschriebenen Weihnachtsgeschichte auch absolut nachvollziehbar ist), sorgt aber auf dem Weg für allerbeste Unterhaltung. Die fulmimanten Ideen von Tito Faraci werden durch Cavazzanos Zeichnungen veredelt, so dass eine Story auf allerhöchstem Niveau präsentiert werden kann. Insbesondere Autor Faraci sorgt mit tollen Einfällen für reichlich Lacher - so lebt der Weihnachtsmann mit dem Osterhasen zusammen und auch alle anderen Polizisten präsentieren sich als selten begriffsstutzig, während Cavazzano es ausgezeichnet versteht, Situationskomik einzufangen und fantastische Gags gelungen trocken rüberzubringen. Überhaupt handelt es sich eigentlich um eine Gagstory, der es aber trotzdem gelingt, die klassische Weihnachtsmoral zu vermitteln. Und das ohne den in diesem Fall viel zu oft angewandten Holzhammer, sondern teilweise fast subtil, auf jeden Fall aber passgenau in die eigentliche Geschichte eingewoben, so dass sie nicht als Moralpredigt daherkommt, sondern als Unterhaltung - also genau, wie es sein soll.

von Carsten Spitz

Autor: Tito Faraci
Zeichner: Giorgio Cavazzano
Seiten: 30
Veröffentlicht: 1997