Das
verkorkste Gespenst (LTB 62, Micky auf
Gespensterjagd)
Dunkelheit umfängt die Menschen,
düster liegt sie über Haus und Hof. Man hört
eine Turmuhr in der Ferne schlagen - zwölf Mal,
Mitternacht. Die Geisterstunde, ein ewiges Motiv
für Horrorgeschichten. Sie birgt einen großen
Vorteil: Bald ist sie ausgestanden. In der Regel
verschwinden die Geister nach einer Stunde,
spätestens aber, wenn am nächsten Morgen die
Sonne den Tag begrüßt und ihre hellen Strahlen
gen Erde schickt. Dumm gelaufen ist es aber, wenn
das die Gespenster so gar nicht stört und sie
auch bei Tageslicht fröhlich ihr Unwesen treiben
- welchen Trmupf hat man bitte noch in der Hand,
wenn der furcheinflößende Geist auch dann nicht
seinen Schrecken verliert? Keinen.
Es gibt also eigentlich nur einen Ausweg:
Verbünde dich mit dem Feind oder du bist
verloren.
Boombranche Geisterasyl
Diesen Ratschlag beherzigt auch
unser aller Lieblingsmäuserich Micky Maus in
dieser Story von Bill Walsh und Floyd Gottfredson
von 1951 - ein echter Klassiker also. Gemeinsam
mit Goofy stößt er im Keller eines alten Hauses
auf das Gespenst Guido, das zu Lebzeiten ein
berüchtigter Bandit war. Jetzt aber hat es
Probleme: Es kann nicht durch Wände gehen und
daher den Keller nicht verlassen, in den es
dereinst eingemauert wurde. Konsequenz davon:
Eine ewig demolierte Nase vom ständigen gegen
die Wand laufen. Aber wie Micky in seiner
einnehmenden Art so ist, gelingt es ihm recht
schnell, einen Draht zu Guido zu finden und man
freundet sich an. Nur passt Guidos Wesen so gar
nicht zur bürgerlichen Welt der 50er Jahre und
Micky fällt mit seinem Begleiter in der
Öffentlichkeit des öfteren unangenehm auf. Das
kann er nicht tolerieren und verstößt das
Gespenst.
Ein langer Säbel und eine Portion
Selbstmitleid
Zwar ist der Zoff nur von kurzer
Dauer, aber bald darauf wird Guido des Bankraubs
bezichtigt - zu Unrecht zwar, doch er will seine
Unschuld beweisen. Dabei gerät er in die Fänge
des schurkischen Ali Blabla, einem Hellseher mit
einem Faible für Gespenster, die er sammelt und
für seine Zwecke einsetzt. Und diese Zwecke sind
nicht sonderlich ehrenwert; es handelt sich bei
Herrn Blabla um einen Ganoven, wie er im Buche
steht. Micky macht sich derweil Sorgen um seinen
Freund und begibt sich auf die Suche, die ihn
auch prompt zu Ali Blabla führt. Dieser
beschließt Micky mittels einer kleinen Operation
zu seinem willenlosen Sklaven zu machen, Guido
ist dazu auserkoren, bei der OP zu assistieren.
Das ist also die Chance für das Gespenst, seine
Freundschaft zu beweisen und das Böse zu
besiegen. Keine Frage, dass er auch genau das
anstrebt und auch die anderen Geister des fiesen
Ali Blabla auf seine Seite bringt. Der hat dann
natürlich keine Chance mehr.
Sammeln ist für Sammler - und Gesammelte
Dass die Geschichte ursprünglich
als sich über Monate erstreckende Folge von
Zeitungsstrips erschienen ist, merkt man ihr
nicht an - selbst, dass sie daher natürlich
ummontiert wurde, fällt keinesfalls ins Auge.
Sogar dass sie gekürzt wurde, ist nicht
auffällig. All das ist natürlich dem
fulminanten Duo Walsh/Gottfredson zu verdanken,
die die Geschichte gewitzt erzählen, mit Spaß
an der Handlung, mit sympathischen Charakteren.
Dass es sich, bedingt durch die
Erscheinungsweise, nicht wirklich um eine
geschlosse, als solche konzipierte Geschichte
handelt, ist klar. Ins Gewicht fällt das aber
nicht, da die Handlung trotzdem ausreichend
verbunden ist, insbesondere aber lebt die Story
von dem feinen Humor, der sie von der ersten bis
zur letzten Seite begleitet und der dafür sorgt,
dass man sich mit allen Charakteren
identifizieren kann (naja, außer Ali Blabla, dem
Fiesling) - allen voran natürlich mit Gespenst
Guido, das wohl eine der besten Nebenfiguren in
Disney-Comics überhaupt ist. Vielschichtig,
wandlungsfähig und sympatisch, ein tiefgehender
Charakter, der mit den heute in der Mehrzahl
anzutreffenden, oberflächlichen Figuren, die nur
Stichworte für die Hauptfiguren liefern, so rein
gar nichts zu tun hat, sondern für sich selbst
wirkt. Und das so stark, dass es einen durchaus
interessieren würde, was es sonst so treibt; auf
alle Fälle ist es ein Verlust, dass es nur ein
einziges Mal in Disney-Comics gesehen wurde.
Über die Zeichnungen von Gottfredson braucht man
ja eigentlich kein Wort zu verlieren -
meisterhaft, wie gewohnt.
von Carsten Spitz
Autor: |
Bill Walsh |
Zeichner: |
Floyd Gottfredson |
Seiten: |
47 |
Veröffentlicht: |
1951 |
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