Die Perle von Labuan (LTB 88, "Donald sticht in See")

Auf einem Kreuzfahrtschiff reist die Familie Duck längs der Gestaden der fremden Insel von Malaysia als eine hohe Welle unverhofft über das Deck schlägt und die Enten mit sich ins Wasser reißt - glücklicherweise ganz in der Nähe von einer Insel, die man promt ansteuert und die sich ausgerechnet als Mompracem herausstellt, jene Felseninsel, die dereinst dem legendären Piraten Sandodan als Unterschlupf gedient hatte. Dort trifft man auf ein Mitglied der alten Bande, die den faszinierten Ducks am Lagerfeuer von den Abenteuern berichtet.


Eine Geschichte, eine Geschichte!

Und schon ist man mittendrin in der Erzählung über Sandodan, die, wenig überraschend, auf der seinerzeit populären Fernsehserie "Sandokan" basiert, die widerum auf den Romanen von Emilio Salgari aufgebaut hatte. Der Inhalt beruht eigentlich auf einer großen Zweideutigkeit: Nachdem Sandodan ein Bild der schönen Daysina gesehen hat, die ob ihrer Schönheit die "Perle von Labuan" genannt wird, trachtet er danach, sie zu erobern und zu ehelichen. Auf der anderen Seite ist auf der Insel Labuan auch eine echte Perle sicher verwahrt, die das erklärte Ziel der Thugknacker ist (unter köstlicher Führung der vielarmigen Göttin Kali). Und so kommt es, wie es die Situation ja geardezu herausfordert, zu Missverständnissen. So erbeutet Sandodan auf der Suche nach "seiner Perle" die echte, und vor allem Lord Duckenbrink, Besitzer der Perle von Labuan und Onkel der jungen Dame, der zumeist per Post über aktuelle Vorgänge informiert wird, weiß selten, von welcher der zwei Perlen denn nun die Rede ist - und am Ende hat auch nur die Liebesgeschichte zwischen der menschlichen Perle und dem Seeräuberkapitän Sandodan ein glückliches Ende, während die Geschichte der materiellen Werte ein vorzeitiges Ende nimmt.


Je mehr Arme, desto ärger die Auswirkungen eines Wutanfalles

In der malaiischen Inselwelt wird durch Carpi und Gazzari den teilweise doch etwas verworrenen Situationen ausgezeichnet Leben eingehaucht und stets der Weg zum raffiniert eingewobenen Gag gesucht, der für einen Lacher sorgt, ohne dabei aber die stimmungsvolle Atmosphäre wesentlich zu stören. Großartig in dem Zusammenhang vor allem Daysina, die Angebetete Sandodans, gefürchtet auf allen sieben Weltmeeren, da sie stets in der Lage ist, durch das unendliche Erzählen von belanglosen Geschichten einen jeden unerschrockenen Seemann in die Flucht zu schlagen, der einer Dame schließlich nicht das Wort abschneiden möchte. Doch auch die teilweise etwas sonderlich scheinenden Verhaltensweisen des Lord Duckenbrink passen da voll ins Bild, der sich in manchen Situationen ausgesprochen genreuntypisch und merkwürdig, doch stets effektiv zu helfen weiß. Zudem sind auch die Piraten Sandodans interessant als unmotiverte Arbeitnehmer dargestellt, die lieber eine Weile entspannt urlauben würden, als ihrem Tagewerk nachzugehen.


Tiger vs. Tiger

Insgesamt weiß die Story eine sehr angenehme Atmosphäre zu vermitteln, die den Leser fesselt und einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Auch die Übertragung der Duckschen Charakterzüge in die asiatische Piratenwelt ist gut gelungen und wirkt überzeugend, so dass am Ende eine gute Mischung aus spannender Story mit großartigen Gags bleibt, die auch jene zu begeistern weiß, die die Hintergründe um Sandokan nicht kennen. Hingewiesen sei außerdem auf die auch ausgesprochen gelungene Fortsetzung "Der Tiger von Masalia" in LTB 141, in der allerdings der ein oder andere Name verändert wurde, um die Story mehr dem Original anzupassen.

Carsten Spitz, 2005

Autor: Michele Gazzari + Giovan Battista Carpi
Zeichner: Giovan Battista Carpi
Seiten: 62
Veröffentlicht: 1976