Gastrezension
von Rainer Innreiter
Die 1975 erschienene Nummer 37 markierte den
Beginn dessen, was ich die goldenen
Jahre des LTB nennen möchte. Bis 1979 gab
es eine Reihe an Bänden, deren Geschichten an
Originalität, Witz und Atmosphäre einmalig
sind. Um das Fazit gleich vorweg zu nehmen: Alle
fünf enthaltenen Geschichten sind wärmstens zu
empfehlen, um sich von den trostlosen LTBs der
letzten Jahre zu erholen und daran erinnert zu
werden, auf welch hohem Niveau der geneigte Leser
doch dereinst unterhalten wurde.Anders als
in den meisten anderen Bänden früherer Jahre,
ist die Vorgeschichte durchaus akzeptabel
gestaltet und fügt sich halbwegs sinnvoll und
mit guten Zeichnungen ausgestattet zu einem
Ganzen, das vorliegendes LTB wunderbar abrundet.
Wie so oft konkurriert Dagobert mit seinem ewigen
Widersacher Klaas Klever, der von der Stadt
Entenhausen einen Orden wegen seiner Verdienste
bekommen soll. Klar, dass Duck senior mit allen
Mitteln versucht, den Emporkömmling
auszustechen.
Den ersten Wettstreit liefert die Geschichte Das
fliegende Drachenboot. Ein pompöser
Festakt zu Ehren Klevers liegt der anwesenden
Duck-Familie schwer im Magen. Während Tick,
Trick und Track fürchten, dass ein neu
errichtetes Gebäude, das Klever der Stadt
großzügig übereignet, sich als neue Schule
entpuppt, stößt sich Dagobert Duck an den
Worten des Bürgermeisters, der Klever als
reichsten Mann der Entenmetropole bezeichnet.
Nach einem abgewiesenen Protest durch den
Stadtobersten, wird das Gebäude offiziell
eröffnet. Es handelt sich um ein
Schifffahrtsmuseum. Mit dem geübten Blick des
fintenreichen Fuchses erkennt Dagobert, dass dem
Museum nur eine Kleinigkeit fehlt: Exponate
Darauf hingewiesen beschließt der Stadtrat,
Klevers Ehrung auf Eis zu legen, bis dieser sein
Museum mit etwas, das fährt, schwimmt oder
treibt (O-Ton Klever) auffüllt
vorausgesetzt, es ist keine Makrele, wie der
Bürgermeister aus ästhetischen Gründen
anmerkt.
Was folgt, ist logisch: Klever will ein Schiff
kaufen und ins Museum überstellen, während
Dagobert vollmundig verlautbaren lässt, dieses
Unterfangen zu torpedieren. Nachdem ihm Klever
eine Ansichtskarte aus Oslo geschickt hat,
begeben sich die Ducks auf die Reise nach
Skandinavien, da sie zu Recht annehmen, dass
Dagoberts Kontrahent dort ein Schiff erworben
hat. Die Vorsicht lassen sie außer Acht, denn
natürlich war die Ansichtskarte eine Falle, in
die sie prompt tappen.
Wo sollte man bei dieser Geschichte mit dem Lob
beginnen? Gleich die erste (Voll-)Seite ebnet den
Weg zu ungetrübtem Lesegenuss, wenn der
Bürgermeister pathetisch über Entenhausen
schwafelt, was Dagobert mit Dummes
Gequatsche quittiert. Auf den folgenden
Seiten gehen dem Stadtoberhaupt die Pferdchen
durch: Er bezeichnet den Friedhof als
pompös und den Schlachthof nach
kurzem Überlegen als vorbildlich.
Wie man von einer guten Geschichte verlangen
darf, kommen natürlich auch die optischen Gags
nicht zu kurz: So liefern sich die beiden
Plutokraten einen Kampf mit orchestralen
Instrumenten, den Dagobert für sich entscheidet,
indem er Klever eine Trommel übers Fell zieht
und ihn darin über die Straße rollen lässt.
Auf unterhaltsame Weise werden junge Leser mit
etwas Bildung konfrontiert, etwa, indem die
schlauen drei Neffen ihren nicht ganz so hellen
Onkel darüber aufklären, dass
Fregatten und Schaluppen
keine Geheimsprache darstellen, sondern
Schiffstypen. Und wenn sie auf die Anfrage
Dagoberts, wo Oslo liegt, in ihrem berühmten
Schlauen Buch nachschlagen und erklären:
Hauptstadt von Schweden, Skandinavien,
Europa, was Donald zu dem Schluss bringt,
dass es sich um drei Städte handelt, muss man
sich über die Einfältigkeit des
Erziehungsberechtigten wundern.
Die Zeichnungen sowie die Story sind topp und
glänzen durch viele witzige Details und gute
Einfälle (wie Klever von Dagobert unbemerkt ein
Wikingerboot nach Entenhausen schleusen will,
wird seinem Vornamen mehr als gerecht!).
In Goldrausch erleben wir die
Hexe Gundel Gaukeley zwar in Aktion, aber
ausnahmsweise ist sie nicht am legendären
Glückstaler ihres Lieblingsfeinds Dagobert Duck
interessiert, sondern an einer gewaltigen Menge
Seifengold, das sich in einem Wüstenfluss
befinden soll. Da sie jedoch den genauen Standort
des Flusses nicht ausfindig machen kann, steckt
sie Dagobert die nötigen Informationen, damit
dieser ihr die Arbeit abnimmt und sie die
Früchte ernten kann. Mit Hilfe des gelehrten
Primus von Quack (der damals noch häufiger in
den LTBs auftrat) werden Dagobert und seine
Neffen über Umwege fündig von Gundel
verfolgt
Nun ist die Story nicht ganz so originell und
witzig wie die erste des Bands. Doch dies trübt
das Lesevergnügen nicht wesentlich. Einige
lustige Gags (ein Scheich verkauft Dagobert sein
Stückchen Wüste und stellt ironisch fest, dass
andere Scheichs ihr Geld mit dem Erdöl der
Wüste machen, während er es mit der Wüste
selbst macht), tadellose Zeichnungen und eine
fintenreiche Hexe vom Fuße des Vesuv halten das
Niveau des Vorgängers oben. Break
Der Titel Eustachische Röhren oder
Reinfall mit Pauken und Trompeten ist
nicht das einzige Seltsame an der dritten
Geschichte.
Beim üblichen Polieren von Dagoberts metallenen
Lieblingen seinen Münzen entdeckt
der neugierige Donald einen Geheimgang, an dessen
Ende er und seine Neffen einen Berg voll
Trompeten entdeckt allesamt der Länge
nach aufgeschlitzt. Des Rätsels Lösung für die
malträtierten Musikinstrumente finden sie
teilweise selbst heraus: Es handelt sich um
Instrumente des Trompetenherstellers Eustachius,
der im 16. Jahrhundert gelebt hatte.
Nach dem erneuten Erwerb eines sündhaft teuren
Originals des Meisters Eustachius, vertraut sich
Dagobert den Erbneffen an: In einer der Trompeten
soll sich ein Plan befinden, der den Weg zu einer
kürbisgroßen Perle weist. Ausgerechnet Donald
gibt Dagobert den entscheidenden Hinweis, wo sich
der Plan befinden könnte. Die Reise zum Ort des
Plans führt über mittelalterlich anmutende
orientalische Städte und schließlich zu
der Perle selbst, wo eine unangenehme
Überraschung auf die Ducks wartet.
Von den fünf Geschichten des Bands ist diese
wohl die Schwächste. Der Beginn ist
verheißungsvoll und originell. Doch gegen Ende
hin flacht die Story etwas ab und der Schluss ist
etwas gewollt auf überraschend getrimmt. In den
meisten anderen LTBs wäre diese Story ein
Highlight hier bildet sie das (dennoch
hochwertige!) Schlusslicht unter extrem
gelungenen Geschichten.
Deutlich besser ist die vierte Geschichte: Der
Zaubergarten. Bei der Suche nach
Bodenschätzen in der Wüste, stoßen Dagoberts
Arbeiter auf ein riesiges Prisma aus purem Gold.
Natürlich ist Dagobert davon fasziniert und kaum
von dem Fund zu trennen. Nachdem er trotz Donalds
Kochkünsten nicht zum Abendessen erscheint,
macht man sich Sorgen um ihm. Eine Suche bleibt
jedoch erfolglos. Eher zufällig entdeckt Donald,
dass sich Dagobert im Inneren des Gegenstandes
befand, wo er mehrere Stunden lang geschlafen
hatte.
Ein Selbstversuch der Neffen zeigt, dass es sich
bei dem Prisma um eine Art Zeitmaschine handelt,
die den Schläfer in seinem Traum in längst
vergangene Tage führt, als die Wüste ein
blühender Garten Eden des Königs Armin (na, an
wen erinnert der Name wohl?) war dem
König der Armfüßler, die unermesslich reich
waren und deren Zaubergarten immer
noch existieren soll. Offenbar dienten die
Prismen als Refugien, um von den besseren Zeiten
träumen zu können. Klar, dass Dagobert den
Zaubergarten von König Armin mit
allen Mitteln finden möchte!
Tatsächlich spüren die Enten den Garten auf,
dessen Bäume statt Früchten Diamanten tragen
und dessen Himmel vom Schein unzähliger
Brillanten und Türkise erleuchtet wird. Alles
könnte so schön sein, würde Dagobert nicht
versehentlich die Ruhe der Armfüßer
stören
Wieder eine rundum gelungene Geschichte.
Phantasievoll, aber nicht völlig unsinnig, tolle
Zeichnungen, ein zugegebenermaßen vorhersehbares
Ende, das dennoch gelungen ist und Dagobert von
seiner herzensguten Seite zeigt, und einige gute
Gags. So verkündet Dagobert begeistert, sie
würden den Rubikon überqueren, was Donald zu
der nicht unrichtigen Entgegnung aufstachelt,
dass Cäsar immerhin seine Legionen hinter sich
hatte. Absolutes Lesemuss!
Den würdigen Abschluss dieses LTBs bildet die
Geschichte Der Tunnel unter dem
Ärmelkanal. All die originellen
Einfälle und Wendungen aufzuzählen, würde zu
weit führen, weshalb ich nur kurz die Handlung
umreißen möchte: Um nicht länger die seiner
Meinung nach unverschämt hohen Wasserrechnungen
der Kleverschen Wasserwerke zahlen zu müssen,
beauftragt Dagobert den Erfinder Daniel
Düsentrieb mit der Errichtung einer
Entsalzungsanlage auf einer kleinen Insel vor der
Küste Entenhausens.
Dummerweise behauptet Klaas Klever, die Insel
gehöre ihm und zerrt ihn vor den Kadi. Dort kann
er jedoch den Beweis seiner Behauptung nicht
antreten eine angebliche Schenkundsurkunde
erweist sich als Fälschung was Dagobert
in die Lage versetzt, seinerseits den legalen
Besitz nachweisen zu dürfen. Dazu muss er ins
Land seiner Vorfahren, nach Schottland. Ein
Unterfangen, das Klaas Klever unterminiert, indem
er Dagoberts Flugzeug über dem Ärmelkanal zum
Absturz bringt und die Ducks, die im Meer landen,
an die französische Küste verfrachtet. Die an
sich einfache Überfahrt nach Großbritannien
erweist sich dank Klevers Tricks als unmöglich.
Weder an Bord einer Fähre, noch unterseeisch in
Taucheranzügen gelangen die Ducks auf die Insel.
Titelgebender Tunnel erscheint Dagobert als die
einzige Möglichkeit, doch noch nach Schottland
zu kommen. Unter dem Protektorat der englischen
bzw. französischen Regierung wird allen
Widrigkeiten zum Trotz der Tunnel errichtet, der
die Ducks zum schottischen Schloss, wo die
Schenkungsurkunde liegt, bringt. Natürlich gibt
Klever aber nicht kampflos auf
Diese Story ist in mehrfacher Hinsicht
bemerkenswert: Zum einen ist der intelligent
eingefädelte Plot zu nennen, der von Dagoberts
Ärger über eine Wasserpreiserhöhung zum Bau
des Tunnels zwischen Festland und Insel führen.
Zum anderen die vielen optischen wie auch
textlichen Gags. Die Zeichnungen sind vorzüglich
und bilden die jeweiligen Situationen vorzüglich
ab. Etwa, wenn Dagobert an Durst leidet und unter
einer bizarr aufgeblähten Sonne als winziger
Erdenwurm seinen ausgetrockneten Geldspeicher
verlässt. Einige perspektivisch verzerrte
Zeichnungen wirken wie experimentelle
Kameraeinstellungen.
Erfreulich auch, dass man ein bisschen Bildung
auf humorvolle Weise serviert bekommt. So ist die
Erklärung dafür, weshalb lange Zeit der Bau
eines Tunnels unmöglich ist, sehr plausibel und
doch anschaulich dargestellt und der junge Leser
erfährt, wie breit der Ärmelkanal ist, wo er
sich befindet, wie die Küstenstädte heißen und
einiges mehr. Da soll noch einer sagen,
Donald-Geschichten seien nicht lehrreich!
Das bereits vorweg genommene Fazit möchte ich
damit ergänzen, dass dieser Band eindrucksvoll
beweist, wie man Niveau und Lesegenuss für alle
Leserschichten aufbereiten kann.
ÜBERSICHT:
-
Vorgeschichte (Z: M.Rota / I CWD 58-A)
- Das fliegende Drachenboot
(S: G.Martina/ Z: R.Scarpa / IS TL 800-A)
- Goldrausch (S: A.+G.Barosso / Z: L.Gatto / I TL
709-A)
- Eustachische Röhren oder Reinfall mit Pauken
und Trompeten
(S: R.Cimino / Z: G.Bordini / I TL 748-A)
- Der Zaubergarten (S: R.Cimino / Z: M.de Vita /
I TL 781-A)
- Der Tunnel unter dem Ärmelkanal (S: G.Martina
/ Z: R.Scarpa / IS TL 773-A)
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von Rainer Innreiter
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