Der Titel bringt den Inhalt auf den Punkt: Fans der klassischen schlauen Spürnase mit den großen Ohren (Zu denen sich der Rezensent definitiv zählt) kommen mit dem LTB Nr. 54 auf ihre Kosten – und das sehr, ungeachtet kleinerer Kritikpunkte. Und auch diejenigen, die in dieser Figur partout nur den „langweiligen, eindimensionalen Besserwisser“ sehen wollen, sollten eigentlich die Qualität dieser Ausgabe (an)erkennen können. Wenn sie ihre Scheuklappen bloß ein bisschen öffnen würden …

Zum Einstieg gibt es mit Der Tiger mit der blauen Schleife allerdings eher eine Abenteuer- denn Krimigeschichte, freilich eine in allen Belangen gute. Micky und Goofy folgen einer Einladung des Maharadschas von Kokolor, den sie einst auf einer Kreuzfahrt kennenlernten. Bilhabarhi Barhad Selek oder kurz Bill, so sein Name, ist aber nicht anwesend, als die beiden an seinem Palast ankommen. Stattdessen treffen sie auf Bills Onkel, Fürst Kalambur, und dessen Sohn Prinz Salembur. Die erzählen ihnen, dass sich der Regent derzeit auf einer Reise durch sein Reich befindet. Natürlich sorgt diese Info bei Micky und Goofy (oder zumindest bei ersterem) für Verwunderung, aber bevor man sich lange den Kopf zerbricht, beschließen die Zwei einen Erkundungsausflug durch den Dschungel zu unternehmen, um sich so die Zeit bis zu Bills Rückkehr zu vertreiben. Was sie natürlich nicht wissen: Der Maharadscha ist keineswegs on Tour, sondern wurde entführt. Dahinter steckt neben Kalambur, der es auf den Thron abgesehen hat, und Salembur ein gewisser Karlotek (Na, wer ahnt da was?), welcher Bill gefangen hält. Aber da sind ja noch Micky und Goofy, und die stellen schon bald fest dass offenbar etwas faul ist im Staate Kokolor. Welche Rolle dabei Gymkhan spielt, der zahme, mit einer blauen Schleife geschmückte und damit der Story ihren Titel gebende Tiger des Maharadschas, und wie es schließlich zum Showdown mit dem wohl nicht wirklich ominösen Karlotek kommt – wer das wissen will, der lese die Geschichte selbst. Es lohnt sich, auch aufgrund der ansehnlichen Zeichnungen aus der Feder Marco Rotas.

Ins Spionageterrain führt der folgende Beitrag Micky und das Überschallsparflugzeug. Dieser Jet ist die Erfindung von Professor Kybernetikus, eines Freundes Gammas. Und ein „Sparflugzeug“ deshalb, weil er ausschließlich aus Abfallprodukten einer Autofabrik hergestellt wurde. Nachdem er bereits alle theoretischen Tests bestanden hat, steht jetzt der Probeflug an. Den soll ein dafür engagierter Oberst übernehmen, Gamma will dabei als Kopilot fungieren. Einziges Problem: Der Professor wird von Spionen beschattet. Also sollen Micky und Goofy den Düsenjäger bewachen. Das tun sie auch, ohne dass es dabei zu Zwischenfällen kommt. Doch dafür setzt die Gegenseite, die den Testflug verhindern möchte, erst den Oberst außer Gefecht und danach auch Gamma, der nun als Flieger einspringen wollte. So erklärt sich schließlich Micky bereit den Jet zu testen, mit Goofy als Kopiloten. Aber die beiden werden von den Schurken gefangen genommen, und auch das Flugzeug gerät deren Hände. Am Ende jedoch müssen die Spione merken, dass sie sie nicht mit einer kurzhosigen Witzfigur, sondern mit Micky, dem Meisterdetektiv angelegt haben … Zwar keine herausragende, aber doch eine immerhin durchweg gute Story, die auch ein paar amüsante Momente vorweist. Darüber hinaus fällt positiv auf, dass die Optik nicht negativ auffällt, sondern im Gegenteil ganz ordentlich ist. Obwohl Luciano Capitanio dafür zuständig war.

Micky und die fliegenden Geldschränke beginnt nicht mit einem fliegenden, sondern einem abstürzenden Safe. Dieser knallt Micky und Goofy plötzlich vor den Kühler, als sie nachts mit dem Auto unterwegs sind. Wie sich herausstellt handelt es sich bei dem Tresor um jenen, der kurz zuvor unter mysteriösen Umständen bei der Firma Kies & Co. gestohlen wurde. Einige Tage später verschwindet wieder ein Geldschrank, diesmal bei einem Juwelier, und erneut scheint er offenbar davongeflogen zu sein. Kommissar Hunter ordnet darauf eine Überwachung des Luftraums über der Stadt an, bei welcher Micky und Goofy die Polizei unterstützen. Zunächst können sie bei ihren Patrouillenflügen per Helikopter nichts entdecken, doch dann werden sie plötzlich fast von einem entgegenkommenden Tresor gerammt. Hunter jedoch schenkt ihnen keinen Glauben und meint, die beiden wären einfach übernächtigt. Micky hingegen erinnert sich nun an einen Artikel, den er vor einiger Zeit gelesen hat, und macht sich gemeinsam mit Goofy auf zur Bibliothek. Dort findet er besagten Artikel auch: In diesem behauptete ein gewisser Professor Hokus, dass man in ein paar Jahren in der Lage sein werde die Schwerkraft aufzuheben. Diesem Professor statten Micky und Goofy daraufhin einen Besuch ab, wobei sie sich als Journalisten ausgeben. Zwar werden sie zunächst abgewimmelt, aber sie bleiben an Professor Hokus dran. Und stellen bald fest, dass sie tatsächlich die richtige Fährte aufgenommen haben. Wenngleich es nicht der Professor ist, der für die Safediebstähle verantwortlich zeichnet … Warum nun der eingangs erwähnte Tresor abgestürzt ist wird im Verlauf der Geschichte nicht angesprochen, geschweige denn erklärt, und das ist nicht die einzige Frage, die offen bleibt. Dass der Mäuserich und Goofy aus einem Verdacht heraus ohne Durchsuchungsbefehl in fremdes Eigentum einzudringen und dort rumzuschnüffeln gedenken, muss einem auch nicht gefallen. Zumal dies nicht nur unkritisch gezeigt, sondern dazu dadurch, dass dieses Vorhaben letztlich zur Entlarvung des Täters führt, quasi nachträglich legitimiert wird. Dennoch ist eine grün gefärbte Benotung - wenn auch knapp - vertretbar, denn spannend ist die Angelegenheit allemal und außerdem von Sergio Asteriti gelungen visualisiert.

Nicht nur gut, sondern sogar sehr gut, und das einwandfrei, ist dann im Anschluss Micky und die Gerissenen. Die „Gerissenen“ sind eine Bande, die Entenhausen mit einer Serie von Überfällen in Atem hält. Und Kommissar Hunter damit arge Probleme bereitet. Als er Micky und Goofy aufsucht tut er dies jedoch nicht, um sie um ihre Mithilfe zu bitten, sondern um sie zu einer Theateraufführung von „Der Graf von Monte Christo“ einzuladen. Es ist dies allerdings eine spezielle Vorstellung, denn sie findet im Gefängnis statt, und die Darsteller sind ausschließlich Häftlinge. Es handelt sich dabei nämlich um die Truppe von Mickys altem Bekannten Rudi Rohrbruch, der den Hauptdarsteller gibt. Für Hunter ist der Kunstgenuss aber schon nach dem ersten Akt beendet, denn da kündet ihm ein Anruf von einem neuen Coup der „Gerissenen“. Während er zum Tatort eilt, bleiben Micky und Goofy für den Rest der Aufführung. Keine Ahnung haben sie davon, wer da tatsächlich auf der Bühne agiert und welchem wahrlich gerissenen Zweck das Theater eigentlich dient. Aber sie werden es bald nach dem letzten Vorhang unter dramatischen Umständen erfahren … Ein ebenso intelligenter wie dichter Plot, viel Spannung und sehr ansprechende Zeichnungen von Meister Scarpa – das sind ja gleich drei Wünsche auf einmal. Doch diese Geschichte erfüllt sie alle zur vollsten Zufriedenheit, wofür sie nicht mehr denn 32 Seiten braucht. Okay, einen kleinen Detailschnitzer kann man ausmachen, aber der trübt den Lesegenuss höchstens geringfügig. So oder so lautet das Urteil „klasse“.

Mit Micky und der Helm des Goliath folgt die einzige Episode in diesem Band, welche es nicht in die Top-Kategorie schafft. Sowohl für die von Michele Gazzari stammende Story als auch ihre von Giulio Chierchini vorgenommene grafische Umsetzung wäre das etwas zu viel der Ehre. In Ordnung sind freilich beide, und das zugegebenermaßen recht überraschende Ende sowie ein für den einen oder anderen Lacher guter Goofy tragen ihren Teil dazu bei, dass man wenigstens von gehobenem Durchschnitt sprechen darf. Eine Geschichte solchen Niveaus als die schwächste in einem LTB – man stelle sich das heutzutage mal vor … Das dazu, damit zum Inhalt: Der Baron von Sammelsurius engagiert Micky und Goofy als Wachen für den Helm des Goliath, das wertvollste Exemplar in seiner Antiquitätensammlung. Denn er hat einen anonymen Brief erhalten, der dessen Diebstahl ankündigt. Zwar besitzt der Baron einen speziellen „Wachhund“ in Form eines Gorillas, doch dieser würde ihm nichts nützen, lässt der Unbekannte wissen. Und tatsächlich wird der Helm entwendet, nachdem Micky und Goofy mit Chloroform betäubt werden. Da von Sammelsurius erklärt hatte, dass sein Gorilla niemals das Personal anfallen würde, nehmen sich Micky und Goofy die Hausangestellten vor. Die jedoch scheiden allesamt zweifellos als Täter aus. So steht man zunächst vor einem Rätsel, doch es dauert nicht lange, bis Goofy Herrn Maus mit einem an sich skurrilen Einfall auf die richtige Spur bringt … Angemerkt sei noch, dass Micky auch hier keine Scheu zeigt, ohne rechtliche Legitimation fremden Grund zu inspizieren. Diesmal allerdings gibt es dazu nicht nur einen Einwand des Autors dieser Zeilen, sondern auch einen von Seiten Goofys. Letzterer lässt zwar den moralischen Aspekt außen vor, doch immerhin …

Das Finale dieser Ausgabe schließlich, Micky und das Geheimnis der grünen Sphinx, ist bereits ausführlich in der „Highlights“-Rubrik besprochen, wo es auch sicher nicht fehl am Platz ist. Der Rezensent würde zwar, nach seiner selbstverständlich ebenso subjektiven wie bescheidenen Meinung, im Zweifelsfall aus diesem Band eher „Micky und die Gerissenen“ dafür auswählen. Eine grüne Bewertung hat sich diese in allen Punkten überzeugende Story mit einem „geladenen“ und einige witzige Momente abliefernden Goofy, der hier quasi die Hauptrolle spielt, aber ohne jede Diskussion verdient. Womit sie den würdigen Abschluss eines LTB darstellt, das – um es abschließend noch einmal in aller Deutlichkeit zu betonen – trotz kleinerer Schönheitsfehler zu den wirklich starken und empfehlenswerten seiner Zunft zählt.

von Gastautor Marusch, Januar 2010

ÜBERSICHT

- Vorgeschichte (S: G.Dalmasso / Z: G.Perego / I CD 10-A)
- Der Tiger mit der blauen Schleife (S: G.Dalmasso / Z: M.Rota / I TL 810-A)
- Micky und das Überschallsparflugzeug (S: A.+G.Barosso / Z: L.Capitanio / I TL 661-B)

- Micky und die fliegenden Geldschränke (S: O.Pavese / Z: S.Asteriti / I TL 820-D)
- Micky und die Gerissenen (S: O.Pavese / Z: R.Scarpa / I TL 842-A)
- Micky und der Helm des Goliath (S: M.Gazzarri / Z: G.Chierchini / I TL 783-B)
- Micky und das Geheimnis der grünen Sphinx (S: G.Martina / Z: R.Scarpa / IS TL 633-A)
(Highlight)

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