Nr. 180 – das heißt, wir befinden uns in der Top-Zeit des LTBs, doch selbst aus jener Epoche sticht dieser starke Band noch etwas heraus.

Donald will als Mitglied eines Völkerkunde-Vereins das Geheimnis jener beiden Kulturen Lüften, die als Die rätselhaften Zwillingsvölker Eingang in die Geschichte gefunden haben. Obwohl die Inseln der beiden Stämme tausende Kilometer voneinander entfernt lagen, gleichen diese sich doch exakt in ihrer Kultur und ihren archäologischen Hinterlassenschaften. Donald macht sich mit seinen Neffen auf den beschwerlichen Weg zur nördlichen der beiden Inseln und gemeinsam entdecken die vier Fantastisches: Mittels Flugdrachen aus purem Gold legte ein einziges Volk gemäß dem Flug der Vögel in ihre Winterdomizile die Strecke zwischen den beiden Inseln jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst zurück – von zwei Zwillingsvölkern kann also keine Rede sein.

Donald wähnt sich schon mit Auszeichnungen für diese spektakuläre Entdeckung überhäuft, doch als man schließlich sogar noch das verschollene Volk, jene wundersamen Drachenbauer, selbst findet, entwickeln sich die Dinge ungünstig... Diese lieben Leute wollen partout das Geheimnis ihrer Existenz bewahren und so muss sich Donald zum Schweigen verpflichten. Es scheint, als würde er auch in dieser Geschichte wieder einmal leer ausgehen, doch wie gesagt, es scheint nur so...
Rodolfo Cimino liefert hier eine ungemein dichte und – trotz der etwas obskur wirkenden Idee mit den Golddrachen – nachgerade glaubwürdige Abenteuerstory klassischer Prägung. Wendungsreich und humorvoll, zugleich spannend und fantasievoll, bei dieser Geschichte wurde sehr viel richtig gemacht. Erwähnenswert wäre noch die Skurrilität des Völkerkundevereins und seiner Mitglieder, komisch, aber nicht albern in Szene gesetzt, sowie die Tatsache, dass die Herren Eingeborenen, von der Außenwelt seit ewigen Zeiten abgeschnitten, mal ausnahmsweise kein Hochdeutsch sprechen – solch leidige Unlogik begegnet einem ja gerade bei neueren Abenteuerstorys alle naselang. Auch solche „Kleinigkeiten“ zeichnen ein gutes Werk aus.
Damit das Ganze auch gut anzuschauen ist, hat Alberto Lavoradori die Zeichnungen sicher und stimmungsvoll gestaltet. Wandelbare Mimik und starke Landschaftspanels sorgen so mit dafür, dass es einen grünen Daumen nach oben für diese Episode gibt.

Und qualitätsmäßig wird direkt nachgelegt. Micky und Goofy werden auf eine äußerst delikate, weil für die Welt, wie wir sie kennen, mehr als wichtige Zeitreise geschickt, denn Die Geschichte steht Kopf. Goofy muss die Schuld für dieses Dilemma auf sich nehmen, hat er doch bei der letzten Zeitreise im antiken Kleinasien sein „Vielzweckgerät“, ein Taschenlampen-Kompass-Fernglas, verloren. Ein kleines Missgeschick mit großer Wirkung, denn nun bahnt sich dieses Gerät den Weg durch die Menschheitsgeschichte und führt so einige historische Umwälzungen herbei. Denn es ist ja nun wahrlich ein Kinderspiel, mithilfe eines Fernglases den Bau des trojanischen Pferdes zu beobachten („Abzug der Griechen unter großem Gelächter der Trojaner“) oder mal eben, mit einem modernen Kompass ausgerüstet, Amerika ein paar Jahrhunderte früher zu entdecken. Goofy und Micky jagen also dem Gerät durch die Zeiten nach und versuchen – im wahrsten Sinne des Wortes – die GANZE Geschichte wieder geradezubiegen. Klar dass dies kein leichtes Unterfangen wird.

Eine Top-Zeitreisestory von Marconi mit fantastischen Zeichnungen Santillos ergeben beste Unterhaltung. Intelligent wird der Plot durch die Jahrhunderte gesponnen, auch Amüsantes zu den klassischen Zeitreise-Paradoxien kommt nicht zu kurz. Viele nette Gags, wie etwa Goofys Urteil (hart aber gerecht?!) über die Werke eines gewissen „Tableau Ticassos“, der auch in die Geschichte verwickelt ist sowie die – noch einmal – herausragenden Zeichnungen Santillos, bei denen alles stimmt, ergeben ein richtig gutes Gesamtwerk.

Noch mehr Slapstick vom Feinsten bietet dann Episode Nr. 3: Da Dagoberts Geldspeicher von ihnen als uneinnehmbar abgestempelt wurde, verlegen sich die Panzerknacker, man muss sagen nach langem Kopfzerbrechen und hirnzermarternden Überlegungen, auf den Einbruch in den anderen Millionärsvillen der Stadt. Plötzlich ist Dagobert der Einzige im Milliardärsklub, der Nachts ruhig schlafen kann, und er lässt sich sogar dazu verleiten, seine Sicherheitseinrichtungen an die gebeutelten Kollegen (zu völlig überhöhten Preisen, versteht sich) zu verkaufen, denn Sicherheit hat ihren Preis.

Er als Panzerknackererprobter Fuchs wird sogar zum Selbstverteidigungs-Trainer der anderen Klubmitglieder, was auch Wirkung zeigt, denn nun beißen sich die Herren mit den sechsstelligen Häftlingsnummern bei ihren nächtlichen Raubzügen plötzlich die Zähne an den nun bis zu den selbigen bewaffneten Multimillionären aus. Sieg auf ganzer Linie für Dagobert möchte man meinen, doch das durch diese Umstände schließlich sein Geldspeicher wieder zum Angriffsziel wird, ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders gewesen. Nun muss Dagobert zeigen, dass Verstand und Einfallsreichtum bei der Verteidigung seines Hab und Guts mehr wert sind, als die verscherbelten Sicherheitseinrichtungen, was ihm dann auch gelingt.

Ein wahres Gagfeuerwerk, anders kann man das nicht nennen, was Autor Russo hier entworfen hat. Die herrlich einfältigen Milliardärskollegen müssen einiges mitmachen, aber auch Dagoberts Schlaumeierei bleibt nicht ungestraft, auch wenn er mit dem Schrecken davonkommt und am Ende doch als strahlender Sieger dasteht. Fast 60 Seiten werden der Story zur Entfaltung gegeben und die vielen skurrilen Einfälle sorgen dafür,dass es an keiner Stelle langweilig wird. Dazu hat das Comicup Studio ordentliche Arbeit geleistet und viele visuelle Gags gut umgesetzt, wie zum Beispiel Dagobert als knallharter Trainer mit unerbittlichem Gesichtsausdruck und Dreispitz auf dem Kopf, der seine Klubgenossen übers Trainingsgelände scheucht.
Wieder eine gute Episode.

Die Grüne Erkenntnis gewinnt Dagobert, nachdem er zwecks Erhöhung der Produktivität der landwirtschaftlichen Erträge sämtliche Grünflächen Entenhausens in Felder riesiger Monokulturen umgewandelt hat. Anstoß für diese Idee gab eine Lebensmittelknappheit mit den einhergehenden Preisexplosionen. Nun, dank der riesigen Agrarflächen, sind Obst und Gemüse wieder günstig zu haben – doch die Natur gerät bedingt durch die intensive Landnutzung aus den Fugen. Und so erkennt Dagobert im Angesicht der hereinbrechenden Wetterkatastrophen, dass sein zerstörerisches, gewinnsüchtiges Streben falsch war und rückgängig gemacht werden muss.
Ein für diese LTB-Zeit typisches Umweltthema, dass die Folgen gewissenloser Ausbeutung der Natur vor Augen führt. Leider ist das Ganze von Cimino sehr überspitzt und nun ja, ein wenig einfältig inszeniert. Der plötzliche Sinneswandel der reichsten Ente der Welt nach einer Nacht im Schneesturm ist zwar sehr löblich, doch schlicht zu abrupt und unglaubwürdig. Die Zeichnungen Panareses sind gut, aber an einigen Stellen für meinen Geschmack arg kitschig. Dennoch ist dies keineswegs eine schlechte Geschichte, die aber in Sachen Innovativität und Komplexität nicht mit den anderen Episoden dieses Bandes mithalten kann.

Da ist die folgende Geschichte doch schon besser, wenngleich sie auch nicht das Highlight des Bandes ist. Wieder eine Zeitreisestory, in der Micky und Goofy diesmal gewissermaßen auf eigene Faust ins fünfte vorchristliche Jahrhundert reisen, um Das Geheimnis der Etrusker zu enthüllen. Genauer gesagt geht es um eine rätselhafte Botschaft im Zusammenhang mit einer historischen Seeschlacht (von Cumae), deren Inhalt Marlin und Zapotek zu interessieren scheint. Die Angelegenheit entpuppt sich als echter Krimi in antikem Gewand, denn es gilt die ruchlose Tat eines verräterischen Hauptmannes und die Unschuld eines Kochs zu beweisen. Micky löst den Fall in gewohnt souveräner Manier, wobei die eigentliche Absicht Marlins und Zapoteks doch eher zufällig erreicht wird.
Das Urteil über dieses Werk mag durchaus zwiespältig ausfallen. So ganz spannend und neu ist diese Zeitmaschinen-Episode Panaros nicht, auch der Kriminalfall in Etrurien ist eher konventionell inszeniert. Ungewöhnlicher fällt da schon der Einstieg in die Geschichte aus, der einen Blick auf den Mittelteil der Story wirft und so das Interesse weckt. Mit den Etruskern bekommt auch mal eine eher unbekannte Kultur einen Platz im LTB, wobei die eingestreuten geschichtlichen Informationen
auch durchaus erwähnenswert sind. Asteriti hat hier erneut seinen klassischen, unverkennbaren Stil eingebracht, der meiner Meinung nach diskutabel ist. Mir persönlich sind die Figuren etwas zu „knubbelig“ gezeichnet, aber keinesfalls schwach. Die grüne Titeleinfärbung ist nicht zwingend, doch auf jeden Fall vertretbar.

Das glorreiche Finale der Nr. 180 ist schließlich eine der ganz intelligentesten Geschichten, die je den Weg in das LTB geschafft haben.
Finanzgenie Dagobert erteilt seiner fast bankrotten Heimatstadt Entenhausen Eine finanzpolitische Lektion und zeigt, dass mit ewig neuer Schuldenanhäufung keine prosperierende Metropole in Stand zu halten ist (siehe auch
Highlights). So weit die unspektakulär scheinende Zusammenfassung der Handlung. Doch was Autor Giorgio Pezzin hier zu Papier gebracht hat, sucht in puncto Qualität, Komplexität und Hintersinn im LTB seinesgleichen.
Die klamme Stadt Entenhausen in ihrer Schuldenkrise hat nun also, so der Beginn der Story, „Schuldenexperte“ Donald D. (wie groß muss die Verzweiflung des Bürgermeisters wohl sein) zum Finanzberater berufen. Er entwickelt ein ebenso einfaches wie geniales Konzept zur Geldbeschaffung, welches auch so mancher Staat der heutigen Zeit übernommen zu haben scheint: Die NEBs (Neue Entenhausener Bons) genannten Anleihen werden zu hohen Zinssätzen als Geldanlage an die Bürger verkauft, die Zinsen werden mit den laufenden Einnahmen durch den Verkauf neuer NEBs bezahlt.

Großartig funktioniert dies zuerst auch, doch noch großartiger lässt Pezzin dieses fragwürdige Finanzmodell im Verlauf wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen. Es kommt zum Wettstreit mit den Banken um die Sparguthaben der Bürger – die Zinsen für NEBs steigen. Geblendet von der neuen Liquidität fordern die städtischen Bediensteten mehr Geld, gleichzeitig werden von denn Banken Kredite nur noch zu astronomisch hohen Zinssätzen vergeben - analog zu den stetig steigenden Anlagezinsen – und es droht eine Inflation. So bricht dann auch die Stadt unter ihrer gewaltigen Schulden- und Zinslast zusammen, worauf hin auf Intervention Dagoberts das ganze Stadtwesen – von Straßen bis hin zu öffentlichen Einrichtungen – entsprechend dem Wert ihrer NEBs in die Hand der Bürger gelegt wird, die jenes fortan verantwortungsvoll pflegen und bewirtschaften und so die Stadt wieder erblühen lassen.
Etwas utopisch mag das sehr optimistische Ende der Entenhausener Schuldenkrise sein, dennoch ist die Darstellung verworrener volkswirtschaftlicher Zusammenhänge in leicht verständlichen Worten, mit Witz und feinem Spott sowie Seitenhieben auf die Politik und das Verhalten ihrer Bürger einmalig gut gelungen. Die Gesamtthematik hat, obwohl 20 Jahre alt, eine geradezu erschreckende Aktualität. Somit mag es nicht zu hoch gegriffen sein, diese Story als ein wahres Meisterwerk zu titulieren, das getragen von Scalas gewohnt gelungene Visualisierung einen Meilenstein der gehobenen LTB-Kost darstellt.

von Gastautor Alexander Gerber, September 2011


ÜBERSICHT

- Die rätselhaften Zwillingsvölker (S: R.Cimino / Z: A.Lavoradori / IS TL 1905-A)
- Die Geschichte steht kopf (S: M.Marconi / Z: R.Santillo / IS TL 1857-C)
- Sicherheit hat ihren Preis (S: N.Russo / Z: Comicup Studio / I TL 1908-D)
- Grüne Erkenntnis (S: R.Cimino / Z: C.Panarese / I TL 1894-A)
- Das Geheimnis der Etrusker (S: C.Panaro / Z: S.Asteriti / IS TL 1909-A)
- Eine finanzpolitische Lektion (S: G.Pezzin / Z: G.Scala / IS TL 1904-H)

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