Animiert einen der allererste Blick auf LTB 315 aufgrund eines unnötig aufgemotzten Glitzercovers nicht unbedingt zum Lesen, ändert sich dieses schon beim ersten Durchblättern. Hierbei fallen dem Leser zuallererst die Namen der Zeichner-"Altmeister" Giorgio Cavazzano und Massimo De Vita ins Auge.
Beide stehen seit Jahrzehnten allein durch ihre fabelhaften Zeichnungen für die besten Comics in mehr als 35 Jahren LTB-Geschichte. Und gerade letzterer - Massimo de Vita - ist von den Redakteuren des Lustigen Taschenbuchs in den letzten Monaten (Ja, vielleicht sogar Jahren) sträflicherweise durchs Raster gefallen.
So mussten sich die LTB-Leser anstatt de Vitas großartigen Micky-Comics (Seien es seine spannenden Zeitreisencomics, seine "Es war einmal in Amerika..."-Serie oder seine Abenteuercomics mit Indiana Goof) in den letzten Ausgaben zumeist mit Egmont-Comics der Sorte "Kaschperlmicky" auseinander setzen.
Immerhin 2 leseswerte Geschichten sollten also mindestens gegeben sein. Wie stark diese beiden Comics - und die anderen 11 enthaltenen - tatsächlich sein sollten, wird im Folgenden wie gewohnt näher erläutert.

Ein übler Schwindel: Die Thematik des Bigfoots scheint den Egmont-Redakteuren und Storyschreibern besonders viel Freude zu machen. In diesem Falle haben Mark und Laura Shaw eine Fortsetzung zu ihrem ersten Biggfoot-Comic aus LTB 294 geschrieben. Wieder darf sich Massimo Fecchi für die Zeichnungen verantwortlich fühlen. Dass auch in LTB 295 eine Bigfoot-Story von Flemming Andersen mit nahezu der selben Thematik auftaucht, darf dann doch zumindest schon als auffällig bezeichnet werden.
Fecchis Zeichnungen sind gewohnt schön, auffällig jedoch die fragwürdige Umsetzung der Charaktere der Disney-Protagonisten.
So verkleidet sich Daisy als weiblicher Bigfoot, um zunächst Donald zu täuschen, später jedoch ungewollt den echten Bigfoot zu bezirzen und dann mächtig auf diesen einzudreschen. Für eine rötliche Einfärbung hat dieses sonderbare Verhalten dann aber doch nicht gereicht.

Die Herme der Heroen: Massimo de Vita zeichnet eine Micky-Story nach einem Plot von Bruno Sarda. Eine weitere Hauptrolle nimmt Indiana Goof ein - und auch Doktor Krantz, der fiese Widersacher von Indiana ist mit von der Partie. Das ganz alleine garantiert eigentlich eine überaus guten Comic. Und so kommt es letztlich auch.
Zwar lassen nicht einmal 30 Seiten kaum Platz für einen Comic, an den man sich noch in Jahren erinnern wird - aber wenn gerade die jungen LTB-Leser diese Art von qualitativ sehr guten, spannenden Abenteuercomics gar nicht mehr gewohnt sind, könnten diese einen "Kulturschock" der positiven Art bekommen.
Indiana hat seinen Mut überstrapaziert und leidet plötzlich an chronischer Mutlosigkeit. So begibt er sich mit Hilfe von Micky (wohltuender Weise natürlich nicht in kurzer Hose) auf die Suche nach den "Hermen der Heroen", die seinem Entdecker Mut garantieren sollen. Wie sehr habe ich solche Comics in den letzten Monaten und Jahren im Lustigen Taschenbuch vermisst ?
Lieber Egmont-Verlag: Lasst diesen Comic bitte keine Eintagsfliege sein.

Kunstvolles Outfit: Eine für gerade mal 6 Seiten wirklich ziemlich lustige Kurzgeschichte. Besonders Faccinis schräge Zeichnungen eignen sich besonders gut für Comics dieser Art.

Die Wunderbrille: Die Titelstory selbst gehört auch eindeutig zu den positiven Erscheinungen in LTB 315: Onkel Dagobert bringt eine Brille auf den Markt, die das Gesehene den Wünschen des Betrachters anpasst. So kann sich der Kunde auf Wunsch beispielsweise in mittelalterliche Umgebung versetzen lassen. Schöne Zeichnungen von Gottardo und eine verhältnismäßig witzige Story. Bemerkenswert auch der Kommentar von Tick, Trick und Track, welche diese Erfindung "total krass" finden.

Gedankenaustausch: Erneut eine kurze Gag-Story von Enrico Faccini. Diesmal aber nur eine Seite lang und nicht wirklich umwerfend. :)

Viel hilft viel: Eine der schlechteren Storys in diesem für aktuelle Verhältnisse überdurchschnittlich guten Lustigen Taschenbuch. Wieder einmal geht es um eine der diversen Streitigkeiten zwischen Donald und Zorngiebel. Da gab es allerdings schon weitaus packendere Duelle. Wenngleich die Idee nach der Ermittlung des besseren Bonsaizüchters in der Tat neu ein dürfte.

Ein schlechtes Vorbild: Einseiter um Daniel Düsentrieb und Phantomias.

Retter in der Not: Ebenfalls unspektakulär und eher unterer Durchschnitt. Franz Gans lässt sich dazu überreden bei der Freiwilligen Feuerwehr mitzumachen und verwandelt sich zunehmend in einen schlanken, sportlichen Lebensretter. Vermutlich allenfalls für Feuerwehrleute wirklich lesenswert.

Künstlers Freud und Leid: 14 seitige Story um Donald, der sich als Künstler versucht, als er erfährt, was man damit so verdienen kann. Nette Zeichnungen, nette Story. Aber allenfalls ein annehmbarer "Lückenfüller".

Das Unglücks-Kostüm: Sozusagen der nächste "Lückenfüller" auf den man lieber nicht all zu sehr eingeht, wenn man einen positiven Grundtenor in dieser Rezension beibegalten möchte. Wirklich schlecht ist zwar auch dieser Plot nicht, in dem Gustav durch umwege das Phantomias-Kostüm in die Hände fällt und er dieses ausnutzt. Umsetzung ist aber mangelhaft. Ebenso wenig benötigt es daher großer Worte über diese Geschichte.

Gauner auf Gleisen: Nun aber wieder zu einem echten Highlight dieses Taschenbuchs: Die Stadt Entenhausen baut durch den Berg hindurch, auf dem sich Onkel Dagoberts Geldspeicher befindet, eine Straßenbahnanbindung. Diese versuchen die Panzerknacker für einen Angriff auf das ducksche Vermögen auszunutzen. Cavazzano kann sich mit seinem zeichnerischen Können voll entfalten und nutz seinen aktuellen, ja doch sehr dynamischen Zeichenstil für eine rasante Story.

Ein guter Trick! Einseiter mit Supergoof.

Mission Sasabonsam: Eine weitere Episode der "Organisation zur Abwehr Monster aller Art" folgt als letzte Geschichte. Wie immer stammen die Zeichnungen von Flemming Andersen, die zu den oftmals schrägen, abgedrehten O.M.A.-Storys vorzüglich passen. Dieses mal begeben sich die Monsterjäger um Donald und Dussel auf die Jagd nach einem Sasabonsam - einem fledermausähnlichem Monster.
Interessanter und durchaus gut umgesetzte Thematik der Story sind die Reibungen zwischen Donald und Dussel, die schließlich im Streit ihr eingespieltes Team der Monsterbekämpfung entzweien und stattdessen sich mit Hackmann, bzw. Hämmerle zu einem neuen Team zusammenschliessen. Gerade Hackmann und Hämmerle, die in den bisherigen O.M.A.-Storys eher als blasse Nebenfiguren agierten, bekommen nun mehr einen eigenen Charakter verpasst.
Netter Einfall am Rande übrigens der Kurzauftritt von Timon und Pumbaa, die sich in einem Panel somit auch ihren ersten Auftritt im Lustigen Taschenbuch verdient haben - aufgrund fehlender Namensnennung aber (noch) nicht im LTB Online-Lexikon auftauchen werden. ;)

ÜBERSICHT:

- Ein übler Schwindel (S: M.+L.Shaw / Z: M.Fecchi / D 2000-063)
- Die Herme der Heroen (S: B.Sarda / Z: M.de Vita/ I TL 2444-1)
- Kunstvolles Outfit (S: T.Faraci / Z: E.Faccini / I TL 2442-3)
- Die Wunderbrille (S: C.Gentina / Z: A.Gottardo / I TL 2449-2)
- Gedankenaustausch (S: E.Faccini / Z: E.Faccini / I TL 2367-01)
- Viel hilft viel (S: F.Michelini / Z: S.Deiana / I TL 2445-2)
- Ein schlechtes Vorbild (S: S.Enna / Z: A.Freccero / I TL 2427-03)
- Retter in der Not (S: B.Concina / Z: C.Limido / I TL 2444-6)
- Künstlers Freud und Leid (S+ Z: P.Pennati / I TL 2444-2)
- Das Unglückskostüm (S: B.Enna / Z: R.Migheli / I TL 2446-6)

- Gauner auf Gleisen (S: R.Secchi / Z: G.Cavazzano / I TL 2450-1)
- Ein guter Trick! (S: C.Panaro / Z: M.Asaro / I TL 2460-02)
- Mission Sasabonsam (S: L.Jensen / Z: F.Andersen / D 2002-070)

Grün: Lesetipp
Rot: Flop

von Christian Peters, August 2003