Tja, was ist zu sagen zum aktuellen LTB?
Insgesamt lässt es sich wohl unter einem einfachen Motto zusammenfassen: Unspektakulär. Das ist in heutigen Zeiten aber natürlich alles andere als ein Mangel, ganz im Gegenteil.Nur zwei Egmont-Geschichten sind im Band enthalten, und die sind im Großen und Ganzen auch einigermaßen erträglich. Höhepunkt ist hingegen die längste Geschichte des Bandes, und die stammt, zur allgemeinen Überraschung, aus Italien. Und, um die Überraschung perfekt zu machen, handelt es sich um die Maus-Story, die nicht weniger als 45 Seiten aufweist. Ein erster Vorgeschmack auf die seligen Zeiten der Zukunft ohne Egmonts skurrile Micky-Karikatur. Die restlichen Storys sind dafür allerdings wieder in der Kategorie der Kurz- und Kürzergeschichten einzuordnen. Positiv sticht derweil das Cover heraus, das wieder aus Italien importiert wurde und für einen exzellenten ersten Eindruck sorgt.

Seine Meinung zum LTB kann man auch dieses Mal wieder online äußern, eine Umfrage steht wie gewohnt unter http://LTB-Umfrage.ifad.de zur Verfügung.

Die mit Abstand beste Story des Bandes findet der Leser in Der widerspenstige Koloss. In einer von Casty geschriebenen und von Giorgio Cavazzano inszenierten Story trifft Micky Maus gemeinsam mit Goofy erneut auf die Wissenschaftlerin Tabea Triftig. Gemeinsam bringt man Licht ins Dunkel hinter dem Koloss von Rhodos - dessen Trümmer nämlich waren nie gefunden worden und die Frage nach dem "Warum?" steht eindrücklich im Raum. Die Story ist phantasievoll inszeniert, regt auch ein wenig zum Nachdenken an und sorgt dabei immer wieder für Lacher (besonders hervorzuhaben ist ein kleiner Affe, der dem Bösewicht zur Seite steht und diesen stets nachzuahmen versucht). Der stimmige Plot sorgt dabei ebenso wie die exzellenten Zeichnungen für ein gleichbleibend positives Gefühl beim Leser. Alle Daumen nach oben!

Hinter dieser Story bleiben aber leider alle anderen Geschichten des Bandes klar zurück.
Sheriff gesucht steckt zwar voller überraschender und komischer Ideen von Gorm Transgaard und ist auch von Massimo Fecchi nett gezeichnet, aber letztendlich sind einige der Storyelemente doch etwas zu arg konstruiert, um einen komplett positiven Eindruck zu hinterlassen. Das sich ausgerechnet in einer skurrilen Örtchen, das sich noch alle klischeefüllenden Wild-West-Angewohnheiten leistet, ein Fanclub eines Schmalz-Literaten findet, mutet doch etwas seltsam an. Das Überraschungsmoment ist halt nicht alles ;)
Die andere Egmont-Story liefert dann den dritten Teil der wunderlichen Egmont-Phantomias-Reihe (man erinnere sich an den Linsen futternden Tattergreis aus Teil 1 und die Angst davor, dass ein seniler alter Mann Donald seine Geheimidentität stehlen könnte, wenn er herausfände, dass Gustav vor vielen, vielen Jahren ein längst zerstörtes Haus in einer Lotterie gewonnen hat) - doch all die althergebrachten wunderlichen Charaktere treten dieses Mal gar nicht in Erscheinung, immerhin. Dennoch ist die zentrale Idee wiederum reichlich absurd. Ein Wesen aus Sand trachtet danach, alle Haferschleimvorräte der Welt zu vernichten, da Haferschleim seine Superkräfte beeinträchtigt. Wie es dazu kam, dass ein Sandmann Superkräfte entwickelt, wird leider nicht bekannt (beziehungswiese wird es zwar kurz erwähnt, aber der vorgebliche Grund ist arg hanebüchen); und da Donald das Wesen am Ende kurzentschlossen tötet, wird das wohl auch stets ein Geheimnis bleiben. Die Zeichnungen von Andersen passen zwar zum abgedrehten Plot, aber viel mehr positives gibt es kaum zu berichten. Donald versucht, Daisy seine Geheimidentität zu enthüllen, als er erfährt, dass sie einen anderen für Phantomias hält; außerdem tut er alles, um diesen in Misskredit zu bringen - was teilweise etwas arg plump wirkt. Aber Daisys Wahrnehmung ist dieses Mal hinreichend selektiv, um alles in ihr Weltbild zu pressen. Die schwächste Story des Bandes.

Die weiteren sieben Geschichten weisen gemeinsam nur mickrige 109 Seiten auf, ein Schnitt von rund 15,6 Seiten also. Und da darunter nichtmal Einseiter oder ähnliches sind, weiß man: Jede Menge italienische Kurzgeschichten wieder. Zweimal sucht Dagobert gemeinsam mit Düsentriebs Hilfe nach Schätzen, zweimal ist das Ende von vornherein klar und es gibt auch unterwegs kaum Überraschungen. Nur die Zeichnungen Vians sind beim zweiten Versuch positiv hervorzuheben. Einen unglücklichen Einbruchsversuch bringen die Panzerknacker mal wieder hinter sich, wie zumeist scheitern sie an einer Mischung aus Pech und Unvermögen, nachdem das Glück sie auf die richtige Spur gebracht hatte. In zwei Faccini-Produktionen steht Donald im Mittelpunkt: Einerseits will er bei einem Kostümball seinen Nachbarn Zanker ausstechen; wobei er allerdings ebenso scheitert, wie beim Versuch, seinen Vetter Dussel einen fiesen Streich zu spielen. Dieser Streich-Versuch ist aber noch eine der besseren Story des Bandes und wartet mit einigen überraschenden Wendungen und netten Gags auf.
Außerdem versucht sich Donald als Klempner; das beste an dieser Story ist allerdings, dass im LTB wieder Platz für Francesco Guerrini ist, dessen eigenwillige Zeichnungen der Geschichte gut zu Gesicht stehen, die aber den kurzen Plot auch nicht veredeln können.
Die beste Story des Mittelblockes ist Zauber der Entzauberung. Um Dagoberts Hexensicherheitssystem zu überwinden entzaubert Gundel Gaukeley sich selbst und beraubt sich all ihrer magischen Kräfte. Eine gute Idee wird an dieser Story routiniert inszeniert und dabei von Molinari hübsch gezeichnet. Zwar steht am Ende wie immer ein Misserfolg für die Hexe, aber die Hinführung ist allemal gelungen. Die Story ist dann auch die zweitbeste des Bandes - auch wenn sie hinter dem Werk von Casty und Cavazzano weit, weit zurückbleibt.

ÜBERSICHT:

- Sheriff gesucht! (S: G.Transgaard / Z: M.Fecchi / D 2005-066)
- Gold auf dem Mars (S: C.Mognato / Z: V.Mangiatordi / I TL 2592-4)
- Der widerspenstige Koloss (S: Casty / Z: G.Cavazzano / IS TL 2593-1)
- Die hohe Kunst der Klempnerei (S: Horace / Z: F.Guerrini / I TL 2599-6)
- Zauber der Entzauberung (S: S.Tulipano / Z: L.Molinari / I TL 2556-2)
- Schließfach Nummer 100 (S: D.Bernardini / Z: L.Gorlero / I TL 2581-4)
- Ein heilsamer Schreck (S+Z: E.Faccini / I TL 2597-7)
- Erschnüffelte Schätze (S: B.Sarda / Z: R.Vian / I TL 2587-7)
- Großes Maskenfest (S+Z: E.Faccini / I TL 2595-4)
- Eine sandige Bedrohung (S: M.+L.Shaw / Z: F.Andersen / D 2005-124)

Grün: Lesetipp
Rot: Flop

von Carsten Spitz, Oktober 2006