Ganz im Zeichen von Mystery steht das aktuelle LTB. Der in letzter Zeit zu beobachtende Trend zu thematisch gestaffelten LTBs findet hier seine Fortsetzung, in nicht weniger als drei der vier längeren Storys des Bandes ist das Übersinnliche ein wichtiges Motiv. Nun mag man denken: Vier längere Geschichten? Gibt's ja gar nicht! Und doch ist genau das dieses Mal zu sehen. Drei Egmont-Geschichten mit 31, 48 und 36 Seiten, dazu eine italienische Story mit 47 Seiten - eine ausgesprochen erfreuliche Anzahl, so dass das LTB dieses Mal eine gesunde Mischung aus Lang und Kurz ist. Das Cover vermittelt dazu schon einen ganz guten Eindruck vom Inhalt; das Motiv des vitruvianischen Menschen wurde der titelgebenden Maus-Story "Rätsel um da Vinci" entlehnt und zeigt insgesamt schon den ein wenig den mystischen Einschlag des Bandes. Dass eine Maus-Story zwar titelgebend ist, ohne dass aber das Cover dann von einer Figur aus dem Maus-Universum geziert wird, verwundert zwar etwas und ist auch schade, dennoch dürfte dieses Cover vor allem von seinem hohen Wiedererkennungswert leben und damit seinen Zweck allemal erfüllen. Auch insgesamt ist zu sagen, dass dieses LTB eines der besseren der letzten Jahre ist. Ohne krasse Ausreißer nach unten, dafür aber mit einigen sehr schönen Geschichten - das ist allemal lobenswert.

Seine Meinung zum LTB kann man auch dieses Mal wieder online äußern, eine Umfrage steht wie gewohnt unter http://LTB-Umfrage.ifad.de zur Verfügung.

Die klar beste Geschichte des Bandes ist (zum zweiten Mal in Folge!) die Micky-Story. Auf 47 Seiten darf sich der sympathische Nager auf der Suche nach dem Entführer von Professor Zapotek und der Aufklärung des hinter dem Verbrechen stehenden Geheimnisses austoben. Es gilt, ein Rätsel um da Vinci aufzuklären, dem Zapotek gerade auf der Spur war, als er entführt wurde - und das eine sensationelle Entdeckung ist, wegen der die Geschichte der Menschheit umgeschrieben werden müsste. Die Story ist handwerklich sauber von Andrea Ferraris gezeichnet, der zudem einige Highlights setzt (allen voran eine famose Darstellung des Mailänder Domes) und von Marco Bosco klasse inszeniert. Aus dem mehr oder weniger eindeutigen Entführungsplot werden durch das Einbinden subtiler Hinweise und kleiner Randnotizen zwei Ebenen gewoben, die am Ende wunderbar ineinander greifen. Das weitgehend offene Ende, das zwei Seiten fast ohne Text auskommt und für ein wunderbares Finale sorgt, ist daher dann auch der Höhepunkt einer klasse Geschichte. Alle verfügbaren Daumen hoch!

Ansonsten kann dieses Mal vor allem der doppelt vertretene Flemming Andersen überzeugen. Auf sinnfreie Aggression verzichtet er fast völlig, stattdessen gelingt es ihm vor allem in seiner zweiten Geschichte, einem neuen Teil der O.M.A.-Reihe, eine passende Atmosphäre zu vermitteln. Hierin haben Donald und Dussel einen Auftrag der übersinnlichen Art und werden mit einer ganzen Schar Kobolde konfrontiert, die für ein Leben kämpfen, dass ungestört von menschlicher Zivilisation in ungestörter Umwelt stattfinden kann. Diese terrorisieren daher einen an "ihrem" Wald gelegenen Fliegerhorst, um die Piloten zu vertreiben - das geht aber nur, wenn alle Menschen dort an Kobolde glauben. Es muss also Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die eigentlichen O.M.A.-Ideen scheinen zwar auszugehen (diese tritt dieses Mal nur als grober Handlungsrahmen auf), doch trotz (oder gerade wegen) dieses Umstandes kommt die bislang beste Geschichte der Reihe dabei heraus. Die Gewitztheit der Kobolde und ihr Sinn für Scherze sorgen für die nötige Komik, das Ende für den dramatischen Effekt, der auch einigermaßen sinnvoll aufgeklärt wird, so dass schlussendlich eine gelungene Story präsentiert wird, die alles Nötige auf sich vereinen kann - nicht zuletzt auch wieder ein gelungenes Ende.
Etwas weniger fulminant geht es in Andersens anderer Story, Eine wahre Goldgrube, zu. Hier wird das altbekannte Motiv "Donald wird hereingelegt, will Gustav auf die gleiche Weise hereinlegen, da wendet sich das Schicksal und Donald ist der Gelackmeierte" wieder aufgewärmt. Auch hier sind Andersens Zeichnungen insgesamt nett anzusehen, auch wenn sein Trend zur Aggression deutlich mehr durchbricht. Auch fehlen der Story die nötigen Wendungen, um für einen Aha-Effekt zu sorgen. Immerhin ist sie grundsolide konstruiert und kann mit dem ein oder anderen gelungenen Gag aufwarten.

Die längste Story des Bandes heißt Ireyons Geheimnis und ist der nächste Teil des Egmont'schen Phantomias. Es handelt sich hierbei zwar um den besten Teil dieser Reihe, aber das muss ja nach den teilweise desolaten Vorgängern noch nicht viel heißen...
Und so bleibt man auch hier teilweise verwirrt zurück. Durch die magischen Kräfte eines antiken Herrschers wurde das Geheimnis der Unsterblichkeit in einen kleinen Jadefuchs gebannt, der diesem dann aber gestohlen und zerbrochen wurde. Erst, wenn die Einzelteile wieder nahe beisammen sind, kann er mit seiner Magie die Statue zurückzaubern - und das ist ärgerlicherweise erst 5000 Jahre später der Fall (etwas verwirrend ist, dass in der Story abwechselnd von "vor 5000 Jahren" und "3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung" gesprochen wird - dabei kam dann der Übersetzer auch einmal durcheinander...). Und so verschwinden die drei Einzelteile des Fuchses gemeinsam mit ihren Besitzern an drei aufeinanderfolgenden Tagen in der Vergangenheit - so weit, so gut. Das ist zwar etwas irritierend, aber man kann sich damit durchaus arrangieren. Allerdings wird es dann ganz seltsam: Das erste Einzelteil hat Phantomias, er landet daher in der Vergangenheit - Donald allerdings bleibt in der Gegenwart. Und es wird nicht nur die Persönlichkeit gespalten, sondern außerdem jedes Zeichen der Existenz Phantomias' aus der Gegenwart gelöscht. Es folgen dann Ireyon und Donald selbst in die Vergangenheit, wo man gemeinsam gegen den antiken Herrscher kämpft. Auch wenn für alles Erklärungsversuche gemacht werden, ist man doch am Ende recht verwirrt. Insgesamt liegt aber eine von Fecchi teilweise bravourös gezeichnete, atmosphärisch dichte und fesselnde wie auch interessante Geschichte vor, die die teilweise arg irritierenden Aspekte zumindest einigermaßen in den Hintergrund rückt.

Die anderen vier Geschichten sind wieder recht kurze italienische Gagstorys.
Eine von diesen sticht dabei positiv heraus: Der verlorene Vetter von Enrico Faccini. Donald verkleidet sich als ein vorgeblich vergessener Vetter von Gustav und schleicht sich bei ihm ein, um an seinem Glück teilzuhaben. Auch wenn die Handlung im Wesentlichen vorhersehbar ist - einzig die Art der Enttarnung ist ja an sich offen-, stechen hier die Trümpfe der Story, die sich in den wunderschönen Zeichnungen Faccinis, der Charakteranlage des verlorenen Vetters und vielen gelungenen Gags finden. Damit kann diese Story ihr Ziel der Unterhaltung erreichen und schafft es sogar, sich dank des herrlich skurrilen Vetters im Gedächtnis des Lesers zu verankern.
Die restlichen Storys sind dann recht rasch abgehandelt: Schlacht der Sponsoren ist unspektakuläre italienische Durchschnittsware (einzig der Schlussgag zündet hier wirklich), Geldspeicher total verhext! noch ein paar Millimeter darunter. Ein sicheres Versteck ist dann wieder etwas besser und lebt vor allem von den tollen Zeichnungen von Francesco Guerrini, mit denen sich die Gags gut transportieren lassen. Dise Story ist allerdings teilweise zu gewaltlastig und auch unlogisch - insbesondere der Schlussgag erscheint nicht besonders sinnvoll.

Als Fazit steht am Ende aber definitiv eine gelungene Ausgabe, die Lust auf mehr macht - vor allem auf mehr Spaß an Spannung und Atmosphäre in langen Geschichten.

ÜBERSICHT:

- Eine wahre Goldgrube (S: J.Hansegard / Z: F.Andersen / D 2004-160)
- Rätsel um da Vinci (S: M.Bosco / Z: A.Ferraris / I TL 2634-1)
- Schlacht der Sponsoren (S: A.Mainardi / Z: L.Milano / I TL 2599-2)
- Ireyons Geheimnis (S: A.Pihl / Z: M.Fecchi / D 2004-303)
- Geldspeicher total verhext! (S: C.Panaro / Z: V.Held / I TL 2578-4)
- Ein sicheres Versteck (S: C.Panaro / Z: F.Guerrini / I TL 2563-6)
- Der verlorene Vetter (S+Z: E.Faccini / I TL 2602-1)
- Auftrag der übersinnlichen Art (S: L.Jensen / Z: F.Andersen / D 2004-238)

Grün: Lesetipp
Rot: Flop

von Carsten Spitz, November 2006