Wie
fängt man jetzt an? Ich glaube, mit einer
Rückschau. Wir schreiben das Jahr 1997, es ist
Herbst. Binnen 5 Tagen sterben Lady Diana und
Mutter Teresa. Der erste Band der
Harry-Potter-Reihe erscheint. Michael Schumacher
wird nach dem Abschuss-Versuch gegen Jacques
Villeneuve als "Schummel-Schumi"
bekannt und verliert seine
Vize-Weltmeisterschaft. "Titanic" kommt
in die Kinos, während Aqua mit "Barbie
Girl" die Charts stürmen. Das
"magische Dreieck" des VfB Stuttgart
verzaubert die Fußball-Bundesliga. Beim Grand
Prix Eurovision de la Chanson wird die
Jury-Wertung endgültig abgeschafft. Und im LTB
erscheint die Geschichte "Mutprobe im
Hexenschloss", die 94 Seiten hat.
Zeitsprung.
Dieses LTB präsentiert uns die längste
Geschichte seit diesem Tag. 80 Seiten bieten uns
Luciano Bottaro und Carlo Chendi, dem Fluch der
Karibik sei Dank. Das Cover ist durch einen als
Jack Sparrow verkleidetem Onkel Dagobert verziert
(naja, verziert... bedruckt), mit dem für die
lange Piraten-Story geworben wird. Sonst ist
nicht viel Piratiges im Band zu finden - eine
weitere Story passt noch unter das Motto, in zwei
weiteren spielt zumindest das Meer eine zentrale
Rolle. Insgesamt sind lediglich 8 Geschichten
enthalten, davon haben 4 - also die Hälfte! -
mehr als 30 Seiten. Neben der 80 Seiten langen
Story von Bottaro sind darunter zwei
Egmont-Produktionen und - die nächste
Überraschung - eine alte Geschichte von Cimino
und Scarpa. Zudem entstammt die Maus-Story dem
italienischen Topolino und ist von Gervasio
umgesetzt Es liest sich also alles hervorragend.
Leider aber nicht gut genug für eine
Online-Umfrage. Auf sowas wird dieses Mal wieder
verzichtet.
Verwirrte Badepiraten
Das
Beste ist, dass es dieses Mal so gut wie nichts
zu meckern gibt.
Die mit großem Abstand beste Geschichte des
Bandes ist, wenig überraschend, Die
Insel der Piraten. Auf 80 Seiten hat die
Story den nötigen Raum um sich zu entfalten, und
den nutzt sie aus. Die Geschichte von Donald und
seinen Neffen, die von einem Geisterpiraten in
die Vergangenheit versetzt werden und sich dort
mit einer Horde fieser Piraten um einen Schatz
streiten, fesselt von der ersten bis zur letzten
Seite. Weniger wegen einer spannenden Geschichte,
sondern vor allem wegen Luciano Bottaros
exzellenter Zeichnungen und der vielen, vielen
Gags, die in rasanter Folge den Plot bereichern
und das Grinsen quasi ins Gesicht kleben. Eine
logisch konsistente Story über 80 Seiten, bei
der man in keiner Sekunde das Interesse verliert,
in der man sich dafür aber selbst vollkommen
verlieren kann - wunderbar. Dazu kommt, dass
Bottaro das Platzangebot auch für einige
herausragende große Bilder nutzt, die eine ganze
Seite ausfüllen. Auffällig ist, dass zwei
Seiten im Mittelteil von Giuseppe Perego
gezeichnet sind, um die ursprünglich als
Dreiteiler veröffentlichte Geschichte als
geschlossene Story nutzbar zu machen. Der
Stilbruch ist aber verzeihlich. Etwas störender
ist da schon, dass bei der Kolorierung der
Geschichte geschlampt wurde. Extrem auffällig
sind vor allem einerseits ein rosa Bürzel bei
Donald, andererseits trägt er einmal eine rote
Mütze. Auch sonst sind sehr, sehr viele Farben
nicht richtig angesetzt. Da das bei den anderen
Fällen aber weniger auffällig ist (es handelt
sich vor allem um die Kleidung der Piraten), geht
das als kleiner Schönheitsfehler durch, der
einem den Genuss dieser exzellenten Geschichte
nicht verleiden kann.
Außerdem
sind noch drei weitere wirklich gute Geschichten
in diesem Band enthalten. Auch wenn keine davon
an das Niveau von Chendi und Bottaro heranreicht,
sind sie doch auch ausgesprochen positive
Erscheinungen.
Zuerst wäre da mal Der Schatz der
Amureer, eine 40 Seiten lange Geschichte
von Cimino und Scarpa aus dem Jahr 1975. Dagobert
sucht eben diesen Schatz, der vor vielen, vielen
Jahren verlorengegangen sein soll. Einzig
Professor Alzenheimer, dessen Name Programm ist,
vermag ihn zu finden. Wir erleben damit eine
wunderbare, klassische Schatzsuche (inklusive dem
passenden, kreativen Fahrzeug), die sogar am
Anfang eine schöne Einleitung besitzt, durch die
der Kontakt von Dagobert zu Alzenhemier motiviert
wird. Auch hier gilt, wie bei Bottaro: In die
harmonische Geschichte sind geschickt zahlreiche
Gags eingewoben, die fast durch die Bank zünden.
Auch wenn die Gagdichte sehr viel weniger hoch
ist als zuvor, ist sie doch sehr viel höher als
bei vielen anderen Storys, die man zuletzt
gelesen hatte und damit eine absolut positive
Erscheinung. Die Geschichte bekommt den
erforderlichen Platz, um in keiner Phase hektisch
zu wirken, sondern immer das passende Tempo
anzuschlagen. Auch hier gilt: Uneingeschränkte
Leseempfehlung.
Wissenschaft, die Wissen schafft
Ebenfalls
zu empfehlen ist die Micky-Geschichte Der
singende Bandit. Auch wenn nur 27 Seiten
zur Verfügung stehen, entwickelt Horace eine
Detektivstory klassischer Prägung, die im wilden
Westen angesiedelt ist. Goofy ist als
Western-Sänger mit von der Partie. Die Story ist
in sich logisch, alles ergibt wirklich einen Sinn
- das ist ja schon mal ganz schön viel,
insbesondere bei Micky in Deutschland. Dazu
kommen fantastische Zeichnungen von Marco
Gervasio, die sogar deutlich ansehnlicher sind
als die aktuellen Werke des Maus-Altmeisters
Massimo de Vita. Auch hier gibt es absolut nichts
auszusetzen (außer vielleicht der Länge der
Geschichte ;) Mehr falsche Fährten und mehr
Platz hätten die Story noch verbesser können).
Und
noch ein viertes Mal schlägt dieses Mal die
Farbe "grün" zu. Das aktuelle
Egmont-Werk zum Thema Piraten, Rummel im
Piratenpark, ist ebenfalls sehr gut
gelungen. Von Per Hedman geschrieben und von
Massimo Fecchi in Szene gesetzt machen sich die
Ducks auf eine Schatzsuche, in der es gilt, sich
gegen eine Bande schurkischer Seeräuber
durchzusetzen.
Größter Kritikpunkt ist dabei der Anfang: Die
erforderliche Schatzkarte wird nur gefunden, weil
ein wunderlicher Beamter unaufgefordert und ohne
Bedarf einen bis dahin privaten Rummelplatz auf
Sicherheit überprüft. Aber spätestens ab
diesem Zeitpunkt (und auch bis dahin) ist die
Geschichte überzeugend. Eine mal wieder
exzellente Übersetzung ist dabei auch ein
entscheidendes Kriterium, doch auch die Story
selbst überzeugt. Eine gute Mischung aus
Spannung und Actionelementen einerseits und dem
nötigen Humor andererseits sorgt für
Abwechslung. Fecchi kann insbesondere bei
Landschaftsbildern einer unbewohnten Insel, auf
der die Schatzsuche erfolgt, sein zeichnerisches
Talent voll in die Waagschale werfen, so dass die
Story auch dadurch enorm aufgewertet wird. Und es
gelingt am Ende sogar, einen vollendeten Bogen
vom Anfang zum Ende der Story zu schlagen, so
dass die eine runde Sache wird.
Gedankenkünstler durch Cowboyhut?
Die
anderen 4 Geschichten sind leider deutlich
schwächer, was richtig Schlechtes ist da
allerdings auch nicht dabei.
Die obligatorische Phantomias-Geschichte handelt
mal wieder von der drohenden Enttarnung, dieses
Mal durch Franz Gans, der von seinen Träumen
geleitet wird, während Phantomias bei Oma Duck
wohnt, um dort einem Verbrecher das Handwerk zu
legen. Die Geschichte als solche ist reichlich
vorhersehbar. Enorm aufgewertet wird sie
allerdings durch Franz' Träume, die vor allem
zeichnerisch sehr interessant sind. Sie erinnern
an die Werke Picassos und sorgen damit für eine
Abwechslung in einer ansonsten recht langweilige
Story, die aber zeichnerisch insgesamt gut ist
und zumindest keine groben Fehler aufweist. Kein
Ärgernis also, immerhin ;)
Ein wenig spaßiger Einseiter wird von Figus und
De Lorenzi abgeliefert. Zwar lustiger als in der
letzten Ausgabe, aber... Kein Grund zum Lachen.
In einer weiteren sehr kurzen Geschichte (8
Seiten) darf sich Gundel Gaukeley mit den Tücken
der Technik, namentlich einem High-Tech-Besen,
herumschlagen. Im Wesentlichen versteht er sie
wörtlich, wenn sie etwas sagt - das kommt davon,
wenn man sich unpräzise ausdrückt ;) Von
Molinari hübsch gezeichnet ist diese Story auf
jeden Fall ein netter Lückenfüller. Mehr
allerdings auch nicht.
Zum Schluss gibt es dann nochmal Egmont.
Erfreulicherweise dieses Mal aber nicht Bancells,
sondern Pasquale. Es geht um einen Haufen
entführter Erfinder, die vom völlig
durchgedrehten Graf de Sushi hypnotisiert worden
sind, um einen Superroboter zu bauen, der
Entenhausen dem Erdboden gleichmachen und dann
die Welt unterjochen soll. Ehrgeizige Pläne
also, die erwartungsgemäß in wilden
Verfolgungsjagden enden. Auch wenn einige Dinge
nicht hinreichend erklärt werden und damit im
Dunkeln bleiben (zum Beispiel, wieso ein Haufen
Erfinder einem hochentwickleten Roboter, der sich
selbst auftanken kann, nicht den Unterschied
zwischen seinem Treibstoff und anderen Dingen
eingetrichtert haben), ist die Story in sich
weitgehend sinnvoll. Vor allem aber sind die
Zeichnungen von Pasquale recht nett anzusehen -
alleine durch den Verzicht auf Bancells in der
Abschlussgeschichte gewinnt dieser Band, finde
ich. Einige nette Gags und eine gewohnt starke
Übersetzung verhindern dann endgültig, dass es
in diesem Band eine Flop-Bewertung gibt.
Träumerische Abstraktion
ÜBERSICHT:
-
Rummel im Piratenpark (S: P.Hedman / Z: M.Fecchi
/ D 2006-012)
- Der singende Bandit (S: Horace / Z: M.Gervasio
/ I TL 2556-1)
- Franz schöpft Verdacht
(S: D.Fasano / Z: B.Pisapia / I PK 57-2)
- Ein kleines Malheur (S: G.Figus / Z: P.De
Lorenzi / I TL 2492-01)
- Die Insel der Piraten (S:
C.Chendi+L.Bottaro / Z: L.Bottaro / IS TL 216-A)
- Der Schatz der Amureer (S: R.Cimino / Z:
R.Scarpa / I TL 1012-B)
- Widerspenstige Technik (S:
G.Perini / Z: L.Molinari / I TL 2588-4)
- Fischzug im Hindernissen (S: P.Halas / Z:
Pasquale / D 2004-157)
Grün: Lesetipp
Rot: Flop
Blau:
Italienischer 08/15-Kram
von Carsten Spitz, Juni
2007
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