November ist's schon wieder geworden, das Ende des Jahres naht. Einen Querschnitt durch die letzten 12 Monate liefert das LTB in diesem Monat deswegen trotzdem nicht. Insgesamt weiß man nicht so recht, wie man diese Ausgabe bewerten soll - vermutlich wird sie sehr schnell vergessen sein. Trotz teilweise recht guter Geschichten fehlt es insgesamt an Ausreißern in beliebige Richtungen, um wirklich einen Aha-Effekt zu erzeugen.
Das unspektakuläre Cover animiert mal wieder eher nicht zum Kauf, ist aber immerhin mal wieder eindeutig der titelgebenden Geschichte zuzuordnen. Das ist ja auch schon mal was.
Diese ist dann auch die einzige, die die 30-Seiten-Hürde überspringt, 34 Seiten sind es nämlich, die einer von dieses Mal nur zwei Egmont-Geschichten zugestanden wurden. Da sie von Andersen gestaltet wurde, während die zweite von Pasquale umgesetzt wurde, wird dieses Mal sowohl auf Fecchi als auch auf Bancells komplett verzichtet - das dritte Mal in diesem Jahr. Überraschend, der persönliche Eindruck liefert eigentlich eine noch stärkere Präsenz der beiden Egmont-Kollegen.
Neben den beiden Storys aus Dänemark sind noch 8 italienischen Geschichte enthalten, unter denen erfreulicherweise wiederum ein Uralt-Reprint ist: Eine Carpi-Geschichte von 1962.

Verblüffenderweise verteile ich trotzdem gleich drei Mal das Prädikat "Lesetipp", ohne dass sich aber eine der Storys wirklich langanhaltend ins Gedächtnis eingebrannt hätte. Alles also grün im unteren Bereich liegend ;)
Da wäre zuerst einmal die obligatorische Maus-Geschichte, Delikate Speiseblasen. Diese brilliert vor allem mit den fantastischen Zeichnungen von Giorgio Cavazzano, die auch über manche Schwäche im Plot hinwegtäuschen können. Grundsätzlich erleben wir eine Detektivgeschichte klassischer Prägung: Im Zuge der Einführung einer neuen Speise im Lebensmittelhandel Entenhausens fallen Micky allerlei Ungereimtheiten auf, denen auf den Grund gegangen sein will. Die Handlung wird leider sehr kurz abgehandelt und verzichtet auf nennenswerte Umwege oder Probleme, es geht schnurstracks zur Lösung - eines der großen Probleme aktueller Geschichten, die nicht nur auf Gags basieren. Aber das wenige, was an Handlung vorhanden ist, ist wenigstens durchdacht und führt auf komplett logischem Wege zur Lösung. Einige nette Gags sind auch dabei, der entscheidende Faktor für die Einstufung als Lesetipp ist aber ganz klar die Arbeit von Cavazzano als Zeichner.


Je lebendiger, desto Mittel

Ebenfalls auf einem klassischen Ansatz beruht Eine packende Geschäftsidee. Gitta und Kuno Knäul entwickeln mal wieder einen neuen Broterwerb: Sie verpacken fix und fertig gepackte Koffer für jeden Bedarf - sei es der Wochenendtrip an die See oder der vierwöchige Abenteuerurlaub im Regenwald. Das klappt auch prächtig, denn schließlich weiß ja jeder, wie schwierig es ist, den eigenen Koffer passend zu packen - wäre da nicht das Problem mit der Entsorgung der vielen Koffer... Eine routiniert erzählte Geschichte ohne Makel oder Fehler, die, auch dank der hervorragend passenden Zeichnungen von Guiseppe Dalla Santa, an die Höhepunkte der Knäul/Gans-Kooperationen durchaus anknüpfen kann, doch auch hier vermisst man ein wenig eine größere Zahl an Wendungen in der Story, die einfach zu schnell abgehandelt wird, um den Leser wirklich in ihren Bann zu ziehen. Aber eine tolle Grundidee und eine souveräne Umsetzung sind ja heutzutage schon einiges wert ;)

Eine reine Gagstory ist Empfehlung Nummer Drei - und es ist ausgerechnet eine mit dem ewigen Nervfaktor Dussel. Donald ist Auf Streife mit Dussel, nachdem der sie beide als Polizisten in Lohn und Brot gestellt hat. Dabei stoßen sie auf ein paar Räuber, die sich mit der Ausrede behelfen, sie seien Helfer des Weihnachtsmanns und für die Entsorgung ungeeigneter Geschenke zuständig - was ihnen natürlich abgenommen wird. Allein für diese Idee verdient die Story fast eine grüne Einfärbung. Danach dürfen Donald und Dussel die vermeintlichen Wichtelmänner noch eine Weile jagen, ehe der Zufall sie auf die richtige Spur führt. Gespickt mit tollen Gags und dank fantastischer Zeichnungen Faccinis stets auf dem richtigen Weg und in der richtigen Stimmung sorgt diese Geschichte für konstanten Spaß - und das ist ja die Hauptsache. Dass die Handlung dabei so einige Lücken aufweist, fällt weniger ins Gewicht; schließlich handelt es sich um eine reine Gagstory, die als solche ihren Zweck voll und ganz erfüllt und für die mit Abstand meisten Lacher von allen Storys des Bandes sorgt.


Was ein Duck ist, verbreitet Angst und Schrecken

Die anderen sieben Geschichten bewegen sich vorwiegend im Mittelmaß - alle können aber mit dem ein oder anderen netten Einfall aufwarten. Das ist doch auch schon mal was ;)
Egmont liefert zuerst die schwächste Story des Bandes ab, die auch die titelgebende Geschichte Rollentausch ist, in der Dagobert Duck und Daniel Düsentrieb ihre Körper tauschen. Da davon sonst niemand weiß, ist natürlich das Chaos vorprogrammiert. Leider bezieht sich das Chaos nicht nur auf die gewollte Handlung, sondern auch auf den Plot insgesamt, der einige eklatante Lücken aufweist. Besonders krass: Der reiche Düsentrieb versucht mit seinen Erfindungen an allen Ecken und Enden zu sparen - nun wahrlich keine Eigenschaft des wahren Daniel. Unklar bleibt so manches wichtige Detail (so kann Düsentriebs Stimme Sekretärin Rührig manchmal Befehle erteilen, manchmal aber nicht; Daniel Düsentrieb verliert das Gedächtnis ebenso grundlos, wie er es zurückgewinnt und vieles mehr). Einige wenige gelungene Gags können da nichts mehr retten - vor allem, da auch Andersen alles andere als in guter Form ist.

Die wesentlich bessere Egmont-Geschichte ist daher die zweite. Donald besucht versehentlich Die Supersurkenschule und wird dort zu einem raffinierten Gangster ausgebildet. Dank zahlreicher Missverständnisse ist er aber davon überzeugt, Klempner zu werden. Teilweise ist das arg konstruiert, aber insgesamt ist es trotzdem unterhaltsam. Die Gagdichte ist zwar nicht besonders hoch, aber die Hinführung zu den Situationen, die Missverständnisse der Kategorie Klempner-Schurke ist durchaus spannend, vor allem aber interessant. Auch Pasquales Zeichnungen sind sehr interessant und passen prima zur Handlung, die es vor allem schafft, zeitweise aus den gewohnten Egmont-Handlungsschemen auszubrechen. Leider gelingt das aber nicht vollständig, so dass eine bessere Einstufung nicht drin ist.


Die Demokratie auf dem Müll

Definitiv erwähnenswert ist natürlich noch Bürgermeister um jeden Preis, die Story von Catalano und Carpi aus dem Jahr 1962, die deutlich demonstriert, das früher nicht alles besser war, sondern nur früher. Auch wenn die Zeichnungen von Carpi natürlich ihren unverwechselbaren Charme haben und auch die Story selbst mit einigen sympathischen Wendungen und durchaus spaßigen Gags aufzuwarten weiß, ist die Handlung an sich doch reichlich konfus. Heiter springt sie von hier noch dort und dann wieder ganz woanders hin, so dass wir auf 30 Seiten erst einen Wahlkampf, dann eine Sabotage des Ergebnisses, deren vermeintliche Aufdeckung, die Flucht der Revoluzzer, wunderliche Varieténummern im Exil, einen Erfinder im Sack und die Landung von Aliens in einer menschenleeren Stadt erleben. Heutzutage absolut unvorstellbar - und das nicht zu unrecht. Auch wenn die Geschichte absolut liebenswert und sympathisch ist, von einer komplett durchdachten Handlung kann man eher nicht sprechen ;)
Dennoch ist die Geschichte im Ranking des Bandes ohne Zweifel auf Platz 4 einzustufen - vor allem weit vor den vier italienischen Storys, die bislang noch unerwähnt geblieben sind.

Als da wären: Eine Posse mit Donald, der sich als Dinosaurier verkleidet, um einem Waldhotel Dagoberts mehr Gäste zu bescheren, die aber im Desaster endet, als er als Duckoraptor auf der Flucht ist und die Meute zu der falschen Pension lockt. Langweilig.

Die obligatorische Phantomias-Geschichte Vergissmeinschnell: Dieses Mal hat Dagobert zufällig Donalds Geheimkeller und damit das Hauptquartier des Superhelden entdeckt und erpresst diesen mit diesem Wissen, so dass der einstige Rächer den Clown in diversen Promo-Veranstaltungen und Werbespots geben muss. Die Grundidee ist durchaus interessant, aber das war es dann auch. Mehr als einen spannenden Ansatz liefert die Geschichte leider nicht, alles nach der Keller-Entdeckung wird uninspiriert heruntergespielt und schafft es nicht, den Leser an sich zu binden.


Da war doch noch was!

Die Düsentrieb-Studie Alles zu seiner Zeit! ist ebenfalls dabei, in der der Erfinder keine Lust mehr hat, normale Haushaltsgeräte zu reparieren und sich daher dafür einen Helfer baut, der aber ständig defekt ist, so dass auch dieser durch einen weiteren Helfer repariert werden muss. Das hält natürlich kein Budget aus. Auch hier sehen wir ein paar ganz nette Einfälle, die aber irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes ergeben. Immerhin für ein bis zwei kurze Lacher reicht's, da die neue Helferhorde teilweise recht sympathisch und spaßig dargestellt ist. Der Funke will aber dennoch nicht so recht überspringen.

Zuletzt zeigt Gustav in der schwächsten Story des Bandes noch die Schattenseiten des Glücks auf - er stellt fest, dass Glückspilze wie er die schlimmsten Pechkinder sind, da sie niemals Unglück erleben dürfen. So ein Pech aber auch. Viel mehr passiert gar nicht, außer dass man erfährt, dass ein Filmstar mit dem größten Pechvogel der Stadt dinieren will. Das will Gustav natürlich werden. In früheren, besseren Geschichten hatte er dafür einfach 'ne Runde Pech, dieses Mal geht die Auflösung halt mehr ins Philosophisch-Wunderliche.

ÜBERSICHT:

- Rollentausch (S: M.Gilbert / Z: F.Andersen / D 2005-175)
- Delikate Speiseblasen (S: C.Panaro / Z: G.Cavazzano / I TL 2642-1)
- Duckoraptor auf der Flucht (S: S.Nigro / Z: F.Mancuso / I PM 316-1)
- Vergissmeinschnell (S: C.Panaro / Z: O.Panaro / I PKC 17-1)
- Auf Streife mit Dussel (S: F.Vitaliano / Z: E.Faccini / I TL 2648-5)
- Alles zu seiner Zeit! (S: S.Ambrosio / Z: F.D'Ippolito / I TL 2647-4)
- Die Superschurkenschule (S: S.Petrucha / Z: Pasquale / D 2004-335)
- Eine packende Geschäftsidee (S: M.Valentini / Z: G.Dalla Santa / I TL 2642-2)
- Schattenseiten des Glücks (S: A.D'Agostino / Z: M.Mazzon / I TL 2582-5)
- Bürgermeister um jeden Preis (S: R.Catalano / Z: G.Carpi / I TL 327-B)

Grün: Lesetipp
Rot: Flop
Blau: Italienischer 08/15-Kram

von Carsten Spitz, November 2007