Miguel Fernandez Martinez,
besser bekannt nur als 'Miguel', wurde am
3.4.1963 geboren. Der heute 41-jährige
Comiczeichner lebt im spanischen Sant Quirze del
Vallès (Provinz Barcelona) und ist im LTB
etabliert, seit (etwa ab 1996/1997) verstärkt
Material des dänischen Egmont-Verlages verwendet
und nicht mehr nahezu ausschließlich auf
italienische Comics gesetzt wird. Zuvor aber
hatte er sich auch in Deutschland bereits durch
viele 4-reihige Comics, die vorwiegend im
Micky-Maus-Magazin erschienen, und die Arbeit an
der Reihe "Ein Fall für Micky" einen
Namen gemacht.
Für LTB-Online hat er sich dankenswerter Weise
für ein Interview bereiterklärt.
Miguel, hier auf einer Feier anlässlich
Donalds 70.Geburtstag
LTB-Online:
Miguel, was wir gerne wissen
würden: Hat
man als Zeichner einen Einfluss darauf, wessen
Skript man bekommt?
Miguel: Nun, uns werden immer
alle Freiheiten eingeräumt, Änderungen am
Skript vorzunehmen, wenn wir das für notwendig
halten, sei es zur Verbesserung der
Seitenaufteilung, oder auch wenn man denkt,
einige Veränderungen würden die Action
verbessern oder das Leseverständnis verbessern.
Ich denke, dass wir diesbezüglich sehr viel
Freiheit haben. Um einen Comic zu machen, ist
Teamarbeit nötig; der Autor, der Redakteur und
der Zeichner versuchen zusammenzuarbeiten um eine
möglichst hohe Storyqualität zu erreichen...
Aber bedenkt, dass unsere Hauptaufgabe in
etwas die der eines Filmregisseurs entspricht: Wir müssen den Rhythmus
vorgeben und die Charaktere agieren lassen!
LTB-Online: Viele deiner Geschichten spielen in der
Vergangenheit. Was ist der Grund dafür?
Miguel: Nun, ich muss zugeben,
dass das stimmt! Ich habe darüber noch nie
nachgedacht, aber ich glaube der größte Teil
der Stories, die ich bearbeite, spielt in
der heutigen Zeit (was wir "Main Street"
nennen).
Ich denke, einige Redakteure mögen meine Art,
historische Details in einer Story zu platzieren,
es ist sehr wichtig, der Story Glaubwürdigkeit
zu verleihen, besonders, wenn sie in der
Vergangenheit spielt. Man muss
Dinge zwar vereinfachen, sollte sich aber dennoch
immer auf eine solide Grundlage und stimmige
Bezüge stützen.
LTB-Online: Wenn du ein Skript
eines anderen Autors bekommen hast, wieviel musst
du dann noch selbst recherchieren um die Story
mit Details zu füllen (was besonders bei Stories
in der Vergangenheit wichtig ist)?
Miguel: Oh, wieder die
Vergangenheit, an dieser Stelle könnten die
Leser denken, ich bin irgendwie altmodisch ;)!
Glücklicherweise haben wir heute das Internet,
was das Recherchieren sehr vereinfacht. Ich kann
mich noch erinnern, als wir fast schon
Bücherwürmer waren und ständig in
öffentlichen Büchereien herumhockten, um einige
echte Referenzen zu finden, oder gar sehr
spezielle (und teure) Bücher dafür kaufen
mussten.
LTB-Online: Wieviel Zeit
benötigt man, um eine Seite zu zeichnen?
Miguel: Nun, das ist die große
Frage! Das hängt natürlich vom Zeichner ab,
manche brauchen sehr viel Zeit, manche weniger.
Ich bin einer der schnellen Leute, glaube ich ;-)
Ich stelle mir einfach, schon wenn
ich das Skript lese, mehrere unterschiedliche
Möglichkeiten für ein Bild vor, und suche mir
dann die beste aus. Manche Zeichner müssen
einfach jede Menge zeichnen, um zu sehen, was sie
von sich erwarten. Vielleicht habe ich einfach
keine hohe Erwartungen von mir :)
aus "Die rote Sonne" (LTB
311)
LTB-Online:
Bisher haben Sie einige kurze 4-Reiher
geschrieben. Wollen Sie auch mal längere
Geschichten selbst verfassen?
Miguel: Ja, das ist es eben. Wir
haben großartige Autoren, aber ich liebe es,
Plots zu schreiben und es macht mir auch wirklich
Spaß Seite an Seite mit den Redakteuren zu
arbeiten. Wie ihr sagtet, hab ich das bisher bei
kurzen Stories gemacht, besonders Rätselcomics -
was recht schwierig ist - und ich hoffe, in
Zukunft auch lange Stories zu machen, wenn ich
interessantes Material für meine lieben
Redakteure finde - und die Zeit dafür habe
:)
LTB-Online: Wieviel kann in
einer Story von Zeichner und Autor wirklich frei
gestaltet werden? Wird später kontrolliert, ob
die Charaktere in ein bekanntes Schema passen?
Miguel: Ich glaube nicht, dass
es da eine Grenze gibt, die Verlage wollen in
erster Linie gute Zeichnungen und eine gute Story
haben (was nicht heißt, dass die Zeichnungen
wichtiger wären als die Story, sie sind nur eine
Art der Darstellung).
Und natürlich haben sie das Recht die Arbeit der
Zeichner zu kritisieren, wenn sie meinen, dass
etwas nicht stimmt - natürlich dürfen sie auch
Glückwünsche übermitteln, was durchaus auch
mal vorkommt. ;)
Das gleiche gilt natürlich für die Autoren.
LTB-Online: Früher hast du
recht viele Micky-Stories gemacht (vor allem
"Ein Fall für Micky"), in den letzten
Jahren hingegen keine mehr. Diese Zeit dauert
fast exakt so lange an wie die Existenz des
"neuen" Micky (der die klassischen
roten Hosen trägt und nicht so sehr vom Verstand
gesteuert wird). Gibt es da eine Verbindung?
Miguel: Nun, normalerweise
zeichne ich Micky und Donald für Taschenbücher
und Magazine, und auch jede Menge Rätsel, die
ich selbst kreiere (also Zeichnungen und Idee).
Ich arbeite das ganze Jahr mit Micky, zuletzt
aber in erster Linie für Magazine.
Über Mickys Kleidung muss ich sagen, dass Disney
sich vor einiger Zeit entschieden hat, dass die
typischen Shorts das Markenzeichen des Charakters
sind; das ist natürlich eine sehr symbolische
Sache.
Daher dürfen wir ihn nur in anderer Kleidung
zeichnen, wenn die Geschichte das erfordert,
unter besonderen Umständen wie in diesen
Vergangenheitsgeschichten, in der Zukunft, auch
in Winter-Stories oder im Hochgebirge, in solchen
Situationen (Auch "Ein Fall für Micky"
war eine
solche Ausnahme).
Es gibt da also keinerlei Verbindung, ich zeichne
Micky in seiner normalen Kleidung, seit ich darum
gebeten wurde.
aus Ein Fall für Micky: Der Vampir
von Daunenfels (LTB 207)
LTB-Online:
Bist du (oder die Autoren) auch dazu
angehalten, Mickys Verhalten auf diese
"neue" (kindischere) Art zu gestalten,
die von der aus der Zeit von den Sechzigern bis
zur Mitte der 90er doch sehr abweicht?
Ähnlichkeiten zum Charakter der Maus bei zum
Beispiel Scarpa oder Murry sind kaum mehr zu
sehen.
Miguel: Nun, dafür gibt es
keine speziellen Regeln. Comics sind, wie man ja weiß, etwas
Lebendiges. Sie verändern sich, sie
versuchen sich
Änderungen in der Gesellschaft anzupassen und
sind eine Reflexion von dieser. Eine lange Zeit
war Micky ein Abenteurer (und das ist er heute noch), der um die Welt
reiste, das Verbrechen bekämpfte und jede Menge
wichtige Sachen machte.
In der Mitte der 90er aber agierte er vor allem
in Stories mit einem Plot, den wir
"policemen and thieves"-Plot nennen,
was manches Mal sehr aufregend war.
Aber diese Stories beinhalten meiner
Meinung nach, die Gefahr des Missbrauchs: Einige Leser könnten
beginnen, Micky als eine Art allwissenden,
perfekten Charakter wahrzunehmen.
Das Gegenteil von Donald, dessen Verhalten ihn
immer in sehr lustige Situationen bringt (auch
wenn er oftmals durch seinen alten Onkel in
riskante Abenteuer verstrickt wurde, zu denen er
nicht wirklich Lust hat(te)).
Ich denke, es könnte sehr interessant werden,
Micky in häusliche und lustige Situationen zu
bringen.
Natürlich wird es weiterhin Abenteuer und
"ernsthafte" Plots mit der Maus geben,
aber ich denke, Micky hat auch eine lustige und
"normale" Seite, die den Lesern sehr
nahe ist.
Wenn wir über das Technische reden, den Stil ihn
zu zeichnen, seine damit verbundene
Wirkung auf den Leser (Niedlichkeit und Ausdruck), ist es genau
wie beim Schreiben per Hand: Jeder Zeichner
hat seine eigene Persönlichkeit und seine eigene
Art, mit den Charakteren umzugehen.
Manche Zeichner mögen einen niedlichen, gut
aussehenden Micky, andere versuchen ihm Stärke
und Action zu geben, aber ich wette, jeder von
uns versucht, ihn lebendig zu halten, ihn einfach
großartig bleiben zu lassen, damit es immer mit
ihm weitergehen kann.
Ich glaube nicht, dass Autoren um spezielle Plots
gebeten werden, aber darum, eine Veränderung und
mehr Spaß in die Skripte zu bringen. Und die
Zeichner werden gebeten, den guten, alten Disney-Spirit zu erhalten,
und die Charaktere den heutigen Zeiten
anzupassen.
Ich liebe Micky wirklich, er war Teil meines
Lebens seitdem ich mich dazu entschieden
habe, einen
Stift aufs Papier zu setzen. Das Gleiche gilt für den Rest
der Disney-Charaktere, mit denen ich arbeite!
Micky "damals" in der
Serie "Ein Fall für Micky"...
LTB-Online:
"Ein Fall für Micky" war
wirklich großartig. Glaubst du, dass es eine
Chance gibt, dass diese Serie eines Tages
fortgesetzt wird?
Miguel: Ich wünschte, es gäbe
eine Chance für geheimnisvolle Serien! Aber ich
fürchte, das ist etwas schwierig...
Heutzutage haben die Verlage ihre Erwartungen an
Verkaufszahlen (ich meine, generell), und wenn
manche Reihen diese Erwartungen nicht erfüllen,
werden sie gestoppt.
"Ein Fall für Micky" hatte einige
treue Fans, aber ich fürchte, es waren einfach
zu wenige. Wie auch immer, wenn eines Tages Leser
hartnäckig danach fragen... Wer weiß!
... und Micky heute.
(Unser Dank gilt Arne Voigtmann für den Scan aus
dem "Micky Maus Magazin")
LTB-Online:
"Ein Fall für Micky" war eine
'erwachsenere' Serie als gewohnt. Wenn du ein
Kind wärst, was würdest du lieber lesen, den
heutigen "neuen" Micky oder "Ein
Fall für Micky"?
Miguel: Nun, in Spanien hatten
wir einige Serien in dieser Art, ich denke
Variationen sind gut für den Disney-Comic. Leser
wollen generell Spaß und gute Zeichnungen, aber
ich bin sicher, dass manche von ihnen hier und da
auch spannende Stories lesen wollen... Besonders
wenn es ein Rätsel zu lösen gilt! Wenn ich
entscheiden dürfte, würde ich schon ein wenig
Noir-Stil in die Magazine setzen, jeder verdient
es, das zu finden, was er sucht, wenn er ein
Magazin aufschlägt.
Aber ich bin natürlich kein Spezialist, wenn es
um das Veröffentlichen geht, ich glaube, die
Verleger haben sehr gute Gründe eine Serie
aufzulegen oder eben nicht.
LTB-Online: Welche Zeichner und
Comics haben Sie in der Vergangenheit
beeindruckt? Gibt es welche, die auch Ihre Arbeit
beeinflussen?
Miguel: Als ich mit diesem Job
begonnen habe, ich war 17, war ich ein Fan von
Fecchi, einer meiner ersten Jobs war Arbeit an
Kaukas "Fix und Foxi", aber ich würde
wetten, dass meine Vorlieben in Zeichnerkreisen
die üblichen sind:
Franklin, Uderzo, Herge, Cavazzano, De Vita und
viel mehr gute Zeichner.
Alle Kinder meiner Generation haben
"Bruguera"-Magazine gelesen. Dort gab
es sehr viele unterschiedliche Serien und sehr
lustige Charaktere. Einer meiner Favoriten war - und
ist - "Clever und Smart", und auch noch
andere Charaktere von F.Ibánez. Raf, ein anderer
Bruguera-Zeichner, war einer meiner Lieblinge,
zusammen auch mit Vazquez...
Und natürlich mochte ich alle Arten von
Disney-Comics (hier hatten wir eine
Taschenbuch-Publikation namens "Don
Miky", in der unter anderem die frühen
Werke von Cavazzano und de Vita erschienen sind).
LTB-Online: Wie kommt man
eigentlich an einen Job als Disney-Zeichner bei
Egmont? Spanier sind als Disney-Zeichner selten
gesehen.
Miguel: Nun, das kann ich so
nicht stehen lassen. Es gibt viele Spanier, die
bei Disney arbeiten, besonders bei Egmont:
Joaquin, Millet, Esteban, Güell, Nunez, Ferioli,
Rodriguez, Manrique, Xavi,
Marsal, Santanach, Bancells, Angel, und sehr viel
mehr sind Spanier, vor allem Katalanen wie auch
ich es bin.
Ich habe für deutsche Verlagshäuser in den
frühen 80ern gearbeitet, und auch für welche in
Italien und Frankreich, an Serien wie Fridolin,
Fix und Foxi, Knax, Klabauter und einigen mehr,
als ich davon hörte, dass Egmont qualitativ
hochwerige Disney-Comics macht. Ich habe ihnen
einige meiner Arbeitsproben gezeigt und rasch
begann unsere Zusammenarbeit, zuerst mit einigen
Alben über "Basil, der
Mäusedetektiv", dann mit Micky Maus.
Ich arbeite seit mehr als 18 Jahren für Egmont,
und ich bin sehr glücklich, das zu tun. Ich
hoffe, ich werde weiter für sie zeichnen, sie
sind einfach ein großartiges und
enthusiastisches Team.
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