Die besten Geschichten aller Zeiten
Platz 8: Die Abenteuer von Marco Polo (LTB
119, Fern von Entenhausen):

In 4 Episoden aufgeteilt ist diese wunderbara Marco Polo-Parodie, deren Skript Guido Martina und Romano Scarpa gemeinsam erarbeitet haben. Dagobert Duck will einen mehrteiligen Kolossalfilm für seinen neuen Fernsehsender drehen und lässt hierzu seine komplette Familie (Seltsamerweise inklusive der im gesamten Geschichtsverlauf eigentlich völlig unbeteiligten Henriette Huhn) sowie Micky und Minni Maus antanzen. Um Kosten zu sparen hat er Micky beauftragt das Drehbuch zu verfassen, die Hauptrollen sollen die Ducks selbst übernehmen. Natürlich ebenfalls um Kosten zu sparen.
Micky beginnt also sein Drehbuch vor der versammelten Masse vorzutragen:

Episode 1: Die Arche
Marco (verkörpert von Donald), Nicolao (Primus) und Maffeo Polo (Dagobert) machen sich auf die Reise von Venedig ins weit entfernte China. Während Nicolao und Maffeo bereits einmal dort waren und Freundschaft zum Kublai Khan geschlossen hatten, war es für den jungen Marco die erste Reise ins (in Europa nahezu unbekannte) Asien. Da das Netz der öffentlichen Verkehrmittel im 13. Jahrhundert nur unzureichend ausgebaut war, versteht es sich von selbst, dass eine solche Reise zu Pferd nicht nur eine langwierige, sondern auch ungemein gefährliche Geschichte war. Auf dieser Reise weist ihnen ein Tatarenstamm sogar den Weg zur Arche Noah; eine Bergung erweist sich allerdings als zu gefährlich.

Mickys Erzählungen werden an dieser Stelle von Onkel Dagobert unterbrochen, dem die Story zwar gut gefällt, dem eine an dieser Stelle eingeschobene Werbepause noch sehr viel mehr gefallen würde.
Micky interveniert erfolgreich gegen diese Zerstückelung seines Werks – muss dann aber mit ansehen, wie Dagobert aufgrund der ungemein hohen Produktionskosten die ein so aufwändiges Szenario mit sich bringen würde, die 1. Episode streicht. Deren drei seien immer noch genug und der bräsige TV-Zuschauer draußen würde ohnehin nicht wirklich registrieren, dass er den 1. Teil gar nicht wirklich gesehen hat. Charmant vorgetragene Medienkritik in Disney-Comics. ;)


Da bekommt "Am falschen Ende gespart" eine ganz neue Bedeutung

Episode 2: Bis zur großen Mauer
Die Reise geht also weiter, unterwegs muss man sich nach versuchtem Diamantenklau vor den beheimateten Kriegern in Acht nehmen und macht auch erste Erfahrungen mit den in Europa noch unbekannten Bodenschätzen Asiens: Etwa dem Erdöl, dass sich zum Ärgernis unserer italienischen Freunde leider so gar nicht zum Kochen eignet.
Als die drei Reisenden sowie ihr Gehilfe Pietro (gespielt von Dussel) in einer zu durchquerenden Wüste zu verdursten drohen, kommen die Gesandten des Khan zu Hilfe, die zunächst Wasser und Lebensmittel reichen, schließlich auch den weiteren Weg zum Oberhaupt weisen.
Auf dem Weg ins Kaiserreich Catai kommt man nicht nur an der Chinesischen Mauer vorbei, sondern kann auch nur in letzter Sekunde vor der Räuberbande Caidus (verkörpert von Kater Karlo) fliehen. Dieser sollte im weiteren Verlauf der Geschichte aber noch seine zweite Chance erhalten...

Onkel Dagobert sind aber die beschriebenen Szenarien weiterhin zu kostspielig – er hofft auf einen kostengünstigereren 3. Teil und lauscht dem langsam etwas gefrusteten Micky weiter.

Episode 3: Mission in Saianfu
Endlich ist man am Ziel angelangt und wird vom großzügigen Herrscher von Catai empfangen und mit den chinesischen Gepflogenheiten vertraut gemacht. Gar sonderbare Dinge wie Nudeln, Feuerwerk, Kompass oder gar Papiergeld sind den Reisenden aus Europa bislang völlig unbekannt, so dass sie aus dem Staunen ob der fortschrittlichen Zivilisation gar nicht mehr herauskommen.


Nicht nur die Nudeln, auch die Tischsitten scheinen in Venedig unbekannt

Es ist aber nicht so, dass sich für den Großkhan Kublai nicht gelohnt hätte, die alten Freunde aus Venedig bei sich aufzunehmen. So unternimmt Großtebot Klever-Tschang einen Putschversuch und entwendet die Befehlstafeln, welche die Macht des Khan begründen sowie die Druckformen für das Papiergeld.
Klever-Tschang scheint daraufhin die Machtverhältnisse in Catai umkehren zu können, würde es nicht dem mutigen Marco Polo gelingen, in einer aufregenden Rettungsaktion die Befehlstafeln an sich zu bringen und den Putschversuch damit zum Scheitern zu verurteilen.
Alles wäre wieder in Butter, würde Marco nicht auf dem Rückwege zum Khan erneut von Caidu und seiner Räuberbande überfallen...

Das ist das Stichwort für Dagobert, der auch Episode 3 für nicht finanzierbar erklärt.

Episode 4: Die Prinzessin Cocacin
In diesem Kapitel geht es letztlich um die Liebe. Zunächst muss sich Marco in einem Duell mit der etwas vollschlanken Tochter von Caidu im Schwertkampf messen, um im Gegenzu die Freiheit und die starke junge Dame obendrauf geschenkt zu bekommen. Marcos Liebe für das nur wenig holde Geschöpf hält sich aber doch sehr stark in Grenzen, so dass es ihm doch ganz recht kommt, dass Großkhan Kublai ihn aus dieser eher unangenehmen Situation erlöst und ihm zudem noch die Bekanntschaft mit seiner bildhübschen Nichte Cocacin ermöglicht.
Die stolze junge Dame ist bereits dem persischen Prinzen versprochen und macht auch wenig Anstände, auf die mutig vorgetragenen Annäherungsversuche Marco Polos einzugehen.

Nach weiteren Monaten und Jahren im Reich der Mitte, in der vor allem Marco für den Großkhan allerlei gefährliche Missionen zu einem glücklichen Ende führt, plagt die drei Polos doch das Heimweh nach Venedig. Und spätestens nachdem Marco der jungen Cocacin das Leben rettet, als er sie vor einem herannahenden Tiger befreit, kann der Khan keine Einwände mehr gegen dieses Vorhaben einbringen.


Ja, wen haben wir denn da...?!

Als letzten Auftrag soll Familie Polo Cocacin mit dem Schiff sicher zur Hochzeit nach Persien bringen, um dann nach Italien zurückzukehren. Auf einer beschwerlichen Fahrt kommen sich Marco und die schöne Cocacin dann doch näher und die Khan-Nichte offenbart dem italienischen Gast ihre Liebe. Marco besinnt sich aber, dass er dem Khan versprochen hatte, Cocacin heil und unversehrt in Persien abzuliefern und die Vernunft siegt in diesem Fall gegen das Herz; Cocacin wird den Prinzen und den damit verbundenen Thron bekommen.

Der Verzicht auf Cocacins Herz rettet den drei Polos dann auf dem abenteuerlichen Weg zurück in die Heimat das Leben (Zumindest interpretieren diese das so), als ein vom Ursprung unbestimmbares Licht den Dreien den Weg aus der Wüste in die Heimat weist, als man sich schon verloren wähnte.
Dort wird man nach einigem Unglauben von der Familie, die die Drei gen Osten Ausgewanderten für tot gehalten hatte, freudig wieder aufgenommen. Der Familie berichtet Marco Polo dann begeistert von seinen Erlebnissen.

Micky hat sein – mittlerweile doch sehr gekürztes – Drehbuch zu Ende vorgelesen, eine Verfilmung scheint aber doch sehr unwahrscheinlich. Zwar kann sich Onkel Dagobert vorstellen, dass Episode 4 finanzierbar wäre, Daisy aber hat doch gewisse Einwände, dass Dolli Duck die Rolle der Cocacin übernehmen soll...

Der Name Romano Scarpa steht nun einmal unweigerlich für Qualität und könnte an dieser Stelle als Hinweis auf die hohe Qualität dieser Comicumsetzung der Abenteuer Marco Polos genügen. Jedoch lohnt es sich immer wieder hervorzuheben, mit welch vermeintlicher Leichtigkeit es ihm wieder einmal gelingt den Figuren Leben und Seele einzuhauchen. Wie er es schafft, Geschichte (und an die überlieferten Erzählungen Marco Polos hält man sich erstaunlich detailliert) mit den Entenhausener Figuren auf unterhaltsame Art und Weise lebendig werden zu lassen. Chapeau, Romano Scarpa! Wenn man ein Aufeinandertreffen von Maus- und Entenkosmos bei jemandem in guten Händen wusste, dann bei ihm.

von Christian Peters

Autor: Guido Martina, Romano Scarpa
Zeichner: Romano Scarpa (Ink: Sandro Del Conte)
Seiten: 126
Veröffentlicht: 1982