Die besten
Geschichten aller Zeiten
Platz 15: Glanz und Gloria derer von Duck (LTB
093 + Enten-Edition 11): Lange Zeit
vor Don Rosa hat sich Guido Martina Gedanken
über die Geschichte der Ducks gemacht und ein
wahrlich gelungenes, 275 Comicseiten umfassendes
Epos verfasst, das sich über das alte Ägypten,
das römische Reich, Spanien, Schottland und
Amerika bis zur Geburt von Onkel Dagobert
erstreckt.
Beginnen
tut allerdings alles ganz hochaktuell
zumindest in Bezug auf die Entstehungszeit dieses
Comics. Ganz Entenhausen ist fasziniert von der
ersten bemannten Mondlandung. Nur Onkel Dagobert
vermag in das allgemeine, gebannte Staunen nicht
einzustimmen. Schließlich war er selbst mit der
Hilfe von Daniel Düsentrieb unbemerkt von
der Öffentlichkeit bereits einmal auf dem
Mond und hat dort einen seiner größten Schätze
versteckt: Eine Truhe mit einer ganzen Reihe von
Goldmünzen, die Zeugen der zumeist gloreichen
Geschichte der Ducks sind und angeblich
demjenigen ihre Geschichte erzählen, der sie
zwischen den Fingern reibt.
Die
ganze Geschichte besteht aus 8 Einzelkapiteln,
von denen 1987 nur deren sieben in LTB 93
abgedruckt worden sind. Glücklicherweise sind
dann in der Enten-Edition, Band 11, endlich alle
8 Kapitel am Stück veröffentlicht worden und
nach langen Jahren des Wartens kommen nun also
auch die deutschen Leser, die die
Veröffentlichung des letzten Teils in der Micky
Vision versäumt haben, in den Genuss der
vollständigen Ahnen-Geschichte der Ducks (nach
Martina).
So spielt das erste Kapitel Onkel
Dagoberts Reise zum Mond (Scarpa /
Cavazzano) wie angekündigt in der
Entenhausener Gegenwart und ist eigentlich viel
mehr eine sehr gelungene Vorgeschichte für das,
was da noch kommen mag.
Onkel Dagobert jedenfalls reist aus Angst, seine
Truhe könnte von den das All erkundenen
Astronauten entdeckt werden, erneut auf den Mond
um den Ahnenschatz heim zu holen. Leider geht die
Rettungsmission insofern etwas daneben, als die
Entenhausener Dagobert für einen Außerirdischen
halten und Donald im Affekt die Truhe nach
geglückter Landung Dagoberts in den Tiefen des
Meeres versenkt. Lediglich 7 Münzen sind
glücklicherweise im Raumschiff verblieben und
erzählen den Ducks nun in der Tat faszinierende
Geschichten aus der Familienhistorie. So wird
elegant eine Brücke geschlagen von einem
einschneidenden Ereignis aus der Neuzeit zu denen
aus der Vergangenheit...
Die
Papyrusrolle des Dag-ench-Damun: (Carpi)
Die älteste Münze zeigt den Ducks ein
Kapitel aus dem alten Ägypten: Dag-ench-Damun,
seines Zeichens weit entfernter Vorfahre von
Dagobert Duck, versucht seinen unermesslichen
Reichtum vor den Karawanenknackern zu
beschützen, was ihm bislang mit List, Tücke und
Star-Erfinder Archimedes auch immer gut gelang.
Das Blatt wendet sich allerdings als die Knacker
die Pharaonin kidnappen und diese nur wieder
freilassen wollen, nachdem Dag-ench Damun das
Versteck seiner 1000 Goldsäcke bekannt gegeben
hat. Dieser zeigt zähneknirschend den Weg zu
seiner Pyramide, dem vermeintlichen Goldversteck
begibt sich dann aber auch schon geschwind
mit Verwandtschaft und Pharaonin auf die Flucht,
da das tatsächliche Vermögen bereits ins
Ausland transferiert wurde und somit eine
wunderbare Überleitung zur 2. Geschichte
ermöglicht.
Die Tricks der alten Ägypter
Decius
Ducatus und die römischen Münzen (Carpi)
Besagter Kapitaltransfer führt die
Ägypter nun nämlich ins alte Rom. Dort haben
sich aber nicht nur die Duck-Vorfahren als
Betreiber einer römischen Schankstube eine neue
Identität aufgebaut, auch die Karawanenknacker
haben den Weg gefunden und sich nun noch mit dem
hinterhältigen Gladiatoren Karolus
zusammengetan, um doch noch an aus Ägypten
stammende Vermögen zu kommen. Karolus allerdings
spielt ein falsches Spiel mit den etwas dümmlich
daherkommenden Karawanenknackern und verrät
diese an Centurio Clasius Cleverinus, der diese
festnehmen lässt. Leider ergeht es Karolus nicht
besser und Cleverinus versucht sich des Geldes
anzunehmen, wird aber schlussendlich bei seinem
Vorhaben vom obersten Feldherrn Gufus Augustus
aufgehalten, der das Geld für seine ersten
Feldzüge einsetzen möchte (O-Ton des
Goofy-Vorfahren: "Ich bin der einzige der
Caesaren, der nichts erobert hat!"). Die
Duckschen Vorfahren sollten sich nun nach
Caledonien, dem heutigen Schottland aufmachen,
dort ihr Glück zu versuchen. Schließlich galt
es den Verlust eines riesigen Vermögens
wettzumachen.
Das
Ungeheuer von Loch McDuck (Scarpa)
Nach 100 Jahren in Schottland sind die
Nachfahren von Decius Ducatus auf der Suche nach
dessen Schatz. Familienpatriarch Drago McDuck
vermutet diesen in einem alten Schloss am See
Loch McDuck. Um mögliche Passanten abzuschrecken
und von dort fernzuhalten, schafft er mit Hilfe
Daniel McDüsen eine Legende: Ein mechanisches
Ungeheuer in Form einer Seeschlange. Damit sorgt
er auch in der Tat für Angst und Schrecken.
Einer Legende zufolge soll der Schatz alle 100
Jahre gefunden werden können. Dann nämlich
geistert der Geist von Decius Ducatus durch die
Gemäuer, um in seinem Geld zu baden. Das ist
natürlich die große Chance, den Schatz endlich
zu entdecken.
Der
König der Arena (Carpi)
Auch in Spanien haben die Ducks zu einer
gewissen Zeit der Weltgeschichte ganz
offensichtlich ihr Unwesen getrieben. Der junge
Spanier Donaldo wirbt als Bänkelsänger um die
Hand des schönsten Mädchens von Sevilla. Leider
ist da auch Konkurrent Gustavo nicht weit. Seinem
Liebesleben kann Donaldo ohnehin nicht sehr lange
frönen, muss er doch für seinen Onkel Don
Dagoberto Ducalez als Torero einspringen, da die
echten Stierkämpfer exorbitante
Gehaltershöhungen einfordern (zumindest aus
Sicht des reichen Dagoberto). In der Arena trifft
der völlig stierkampfunerfahrene Donaldo dann
auf "El Diablo", den wildesten Stier
von ganz Spanien. Auf einen solchen Weg ins
Verderben hätte nicht einmal der stets nach
Gewinn strebende Dagoberto seinen Neffen
geschickt, hatte doch Donaldos Widersacher
Gustavo vorher die an den Käfigen angebrachten
Namensschilder der Stiere vertauscht und Donalds
Urahnen somit ein paar schmerzliche Minuten
beschert. Immerhin erreicht er mit seinem
"Auftritt" die Abschaffung der
bestialischen Stierkämpfe was seinem
Erbonkel widerum nur leidlich gut gefällt, wo
doch seine einzige Erwerbsquelle so zunichte
gemacht wurde...
Der
Freibeuter der Meere (Scarpa)
Auch einen Seeräuber findet man in der
Ahnentafel der Ducks: Den "Maskierten".
Die spanische Flotte hatte seiner Herrschaft
über die Region um Florida aber gerade ein Ende
gesetzt, so dass der Maskierte nun bei seiner
Familie um Onkel Dagoberton Unterschlupf zu
finden versucht. Dieser droht ihn aber zu
verpfeifen, um die 1000 Escudos Belohnung auf
seinen Kopf einzustreichen, so dass sich der
geächtete Pirat zusammen mit seinen Neffen auf
in die Everglades macht, um sich dort zu
verstecken. Dort stößt man auf die
"Blutigen Brüder", die ganz
offensichtliche Vorfahren der Panzerknackerbande
sind, sowie Baron Clasio Cleverio einen
vermeintlichen Edelmann, der mit den Knackern
gemeinsame Sache macht. Dieser nimmt den
Maskierten samt Neffen gefangen, um sie dem
Gouverneur auszuhändigen, der bereits angedroht
hat, den Piraten hängen zu lassen. Jedoch decken
die jungen Neffen den Zigarrenschmuggel Cleverios
auf und bekommen so vom Gouverneur ebenso wie ihr
Onkel, der Maskierte, schlussendlich die Freiheit
geschenkt.
Kanonendonner
am Mississippi (Scarpa)
Wir schreiben die Zeit des
amerikanischen Bürgerkriegs, genau genommen das
Jahr 1861. Ein staatlicher Dampfer mit den
Duck-Vorfahren an Bord schippert genau durch die
kriegerischen Fronten. Schön wäre jedoch das
Leben, hätte man einfach nur Nord- oder
Südstaatler zum Feind: Auch Klaas Klevers
Großvater (Wie sich später herausstellen wird)
hat noch ein Hühnchen zu rupfen mit dem Kapitän
des Mississippi-Dampfers, der welch
Überraschung auch Großvater Onkel
Dagoberts ist ("Onkel Dankward"). Man
merkt, dass sich die Geschichten der Neuzeit
allmählich nähern...
Zusammen mit den Mississippi-Mardern, einer
Bande, die wieder einmal den Panzerknackern sehr
ähnelt, versucht er die Mission des alten Duck
zu torpedieren, 10 000 Ballen Baumwolle zu
transportieren.
Charmant: Die Duckschen Vorfahren
Goldrausch
in Alaska (Scarpa)
Springen wir noch eine Generation weiter
und sehen, wie sich die Eltern Dagoberts und
Klevers am Klondike bekriegen, um sich für die
Fehde ihrer Eltern am Missisippi zu rächen. Die
pikanteste Komponente dieser kleinen
Goldgräber-Geschichte ist, dass Dagoberts Vater
Douglas Duck seine "liebste Gila"
freudvoll heiratet (Nach 20 Jahren Verlobung und
nachdem sie den einen Taler für das Aufgebot
übernehmen will), die gegen Ende der Geschichte
den kleinen Dagobert auf die Welt bringt, der
sich sogleich "bestens" mit dem
zeitgleich geborenen Klaas Klever versteht...
Sandkastenfreunde: Dagobert und Klever
Abschließend nimmt das letzte
Kapitel wieder Bezug auf das "Hier und
Jetzt" in Entenhausen. Dort muss Onkel
Dagobert zwar den Verlust großer Teile des
Truheninhalts verschmerzen, kommt dann aber doch
dahinter, dass große Teile des Duckschen
Reichtums aus der Zeit des alten Ägyptens noch
immer in der Pyramide seines Vorfahren
Dag-Ench-Damun lagern müssten. Diese Vermutung
bewahrheitet sich tatsächlich und Dagobert
stellt unter Beweis, dass er sich mit seinem
Goldriecher im Vergleich zu seinen Ahnen nicht
verstecken muss.
Sicherlich
ist nicht jedes der acht Kapitel von
gleichbleibender Spitzenqualität, auf jeden Fall
besteht "Glanz und Gloria derer von
Duck" aber aus vielen sehr schönen Episoden
mit raffinierten Ideen, die in ihrer Gesamtheit
ein kleines Kunstwerk ergeben. Interessant wie
sich die charakterlich doch sehr ihren heutigen
Nachkommen ähnelnden Ducks mit den Eigenheiten
der jeweiligen Zeit und/oder Kultur herumschlagen
müssen. Außerdem kommt auch der Humor nicht zu
kurz ist es doch neben den einfallsreichen
Plots der Einzelgeschichten immer wieder
wunderbar miterleben zu dürfen, wie die
Vorläufer des heutigen "Schlauen
Buchs" auf wirklich jede noch so unmögliche
Frage eine Antwort wissen (Beispielsweise verrät
es den Ducks mitten im amerikanischen
Sezessionskrieg befindlich, dass "nach
fünfjährigem harten Kampf die Nordstaaten
gewinnen werden").
Dass
mit Scarpa und Carpi zwei verschiedene Zeichner
am Zeichenbrett aktiv waren, ist eher positiv
denn negativ zu bewerten. Zeichnerisch sind beide
ohnehin gegen jeden Zweifel erhaben; da die
Geschichten jeweils zu unterschiedlichen Epochen
mit zumeist unterschiedlichen Protagonisten
spielen, ist ein gewisser optischer Unterschied
zwischen den einzelnen Geschichten sogar recht
hilfreich.
Auf jeden Fall merkt man Autor Martina an,
wieviel Herzblut er in diese Erkundung der
unbekannten Vergangenheit der Duckschen
Geschichte gesteckt hat. Es hat sich gelohnt.
von
Christian Peters
Autor: |
Guido Martina |
Zeichner: |
Romano Scarpa
Giovan Battista Carpi |
Seiten: |
275 |
Veröffentlicht: |
1970 |
|