Die besten Geschichten aller Zeiten
Platz 17: Im Strudel der Zeit (LTB 267, Ab ins Jahr 2000!)

70 lange Jahre ist es her, dass Micky Maus auf der Steamboat Willie durch die Wellen pflügte - so dachte man sich im Jahr 1998 und entwickelte eine Jubiläums-Story.
Karlo steht urplötzlich beim Mäuserich im Wohnzimmer und präsentiert den Plan, das legendäre Boot nach der langen Zeit zu bergen. Natürlich lässt man sich für diese Idee begeistern und so geht es ab an das Teufelshorn, wo das Schiff dereinst seinen Dienst unfreiwillig quittierte.


Micky am Steuer der Steamboat Willie - ein altes Bild neu inszeniert

Unten am Fluss geht es dann aber erst so richtig los: Das Hauptziel, die Bergung des Bootes, wird in Angriff genommen, wenn auch immer wieder unterbrochen durch diverse Scharmützel der beiden Hauptprotagonisten, die vom Ufer begeistert beobachtet werden. Dort haben es sich nämlich zwei Einheimische gemütlich gemacht, die jede Aktion auf dem Boot genaustens beäugen.
Das alles ist zwar gut und schön, aber doch nicht der ganz große Spannungsgarant - der kommt aber natürlich rasch hinzu: Brutus Bullkopf, einst Passagier auf der Steamboat Willie und von Karlo an die Polizei verraten, ist aus dem Gefängnis ausgebrochen, um Rache zu nehmen.


Das Publikum ist wenig begeistert

Ursächlich für den damaligen Verrat war die von Bullkopf ergatterte Beute: Ein riesiger Rubin, den Karlo an sich zu bringen gedachte. Und dieser ist, für den Leser und Micky Maus nicht sonderlich überraschend, der eigentliche Grund für Karlos Interesse an der Bootsbergung, nicht die vorgegaukelte Sentimentalität. Aber dennoch kann er sich der Auswirkungen der alten Erinnerungen nicht entziehen...
Dass dem Kampf gegen Bullkopf schon nach kurzer Zeit ein positives Ende beschieden ist, ist zu erwarten gewesen. Überraschender hingegen, dass der Edelstein leider nach 70 Jahren nicht mehr an Ort und Stelle ist... Die Fische fraßen ihn. An dieser Stelle endet der Weg für Karlo und Micky, während dem Leser noch eine Möglichkeit ob des Verbleibes des Steines aufgezeigt wird.


Es geht doch nichts über einen lauschigen Abend am Lagerfeuer

Das Wiederaufgreifen des Themas "Steamboat Willie" ist sicherlich löblich und eine originelle Themenwahl im Comic-Kosmos, aber keinesfalls ein entscheidender Grund für die Aufnahme der Story in die Highlight-Rubrik. Dieser ist vielmehr in der unorthodoxen Erzählweise der Story zu suchen, die sehr viel mehr als man dies von Disney-Comics gewohnt ist große Gefühle über wortlose Zeichnungen zu übermitteln imstande ist, und dies auch gut ausschöpft. Dazu kommen zahllose großartige Gags, vor allem unter den Ufer-Zuschauern, von denen nahezu jeder einzelne fast allen aktuell erscheinenden Stories gut zu Gesicht stände. Auch hier wird sehr viel über die Zeichnungen dargestellt, aber auch der trockene Humor, der durch Worte präsentiert wird, findet sicher sein Ziel. Die Story erfordert durch die Minimierung der ganz offensichtlichen Elemente auf das Wesentliche ein genaues Lesen, für das man mit allerbester Unterhaltung und ungeheurer Detailtiefe (die aber glücklicherweise nie das wuselig-wimmlig überladene eines Rosa erreicht, es wird das richtige Maß gefunden) entschädigt wird. Die Story steht auch nahezu sinnbildlich für das Ende der großen Maus-Zeit im LTB, auf deren Wiederkehren wir weiterhin warten, passt sie doch nicht nur thematisch, sondern vor allem auch zeitlich ob der Veröffentlichung genau an diese Stelle. Und auch innerhalb der Story scheint dies deutlich zu werden: Zu Beginn trägt Micky das klassische, italienische Outfit, um im Zuge der Steamboat-Willie-Nostalgie zu den roten Shorts zu wechseln. Die Story ist außerdem das vielleicht beste Werk in der Zeichenkarriere des Corrado Mastantuono.
Und vielleicht wird ja nach der Abkehr von der vorgeblich rückbesinnten Maus im LTB irgendwann wieder so eine Story ausgegraben, quasi als Startschuss in eine neue große Ära des Nagers ;)
Die Geschichte ist zwar für den Disney-Kosmos durchaus untypisch, aber eine absolute Leseempfehlung.

von Carsten Spitz

Autor: Francesco Artibani, Tito Faraci
Zeichner: Corrado Mastantuono
Seiten: 50
Veröffentlicht: 1998