Die besten Geschichten aller Zeiten
Platz 30: Fantastische Zinsen gehn in die Binsen  (LTB 205, Die Adelsprüfung)

In Entenhausen grassiert wieder mal eine unfassbare Welle der Naivität, die niemanden außer Acht lässt. Nicht einmal der schlaue Fuchs Dagobert Duck ist dagegen gefeit - zu groß sind die Verlockungen, die von den Versprechungen ausgehen, die gemacht und anfangs auch eingehalten werden.
Die Gebrüder Eberlein, Bartträger aus Überzeugung, sind in der Stadt und machen ein Angebot, das man kaum ablehnen kann: Auf bei ihrer Sparkasse angelegte Gelder zahlen die drei Herren nicht weniger als 10 % Zinsen. Und das nicht pro Jahr, was man immer noch als einen fürstlichen Zinssatz bezeichnen könnte, sondern pro Tag!
Das zieht natürlich Kunden in Massen an. Unter ihnen befinden sich auch Donald, durch die Produktion und den Vertrieb von Angelködern zu bescheidenem Wohlstand gekommen, und sein Onkel Dagobert, der sein gesamtes Barvermögen anlegt.


Brudertrio, offenbar per Zeitsprung aus der Vergangenheit angereist

Doch das eine solche Unternehmung nicht lange gutgehen kann, ist ja klar - und so wird das Geldinstitut nach kurzer Zeit geschlossen. Natürlich ohne eine Angabe von Gründen oder gar die Möglichkeit für die Kunden, eingezahlte Gelder zurückzuerhalten. Doch den Eberleins stellt sich nun ein Problem: Sie haben zwar unfassbare Mengen Bargeld - aber wo kann man das lassen? Die Lösung ist so naheliegend wie unverschämt: Die drei Bankiers mieten den nun leerstehenden Geldspeichers des geprellten Dagobert Duck an. Nachdem das Problem gelöst ist, machen sie sich auf in die Südsee, wohin sie sich stets Geld von ihrem Lagerverwalter Dagobert senden lassen - dafür hat der natürlich ihre Adresse. Und das führt zu einer fulminanten Idee:


Eile ist ein Zeichen großer Vorfreude

Als die Neureichen mit der Zahlung der Lagermiete im Verzug sind, wittert Dagobert seine Chance; denn dank Vertragsklausel geht all das eingelagerte Geld wieder in seinen Besitz über, wenn die Miete nicht gezahlt wird und auch auf eine Mahnung durch eingeschriebenen Brief nicht binnen sieben Tagen reagiert wird. Die Ducks bringen einfach alle betrogenen Entenhausener (und das sind sehr viele) dazu, den Eberleins Schmähbriefe zu schreiben, die per Einschreiben an die Fieslinge gehen. Die Hoffnung, dass die Briefe nicht allesamt gelesen werden, erfüllt sich: Die Mahnung bleibt unbeachtet und das Geld geht wieder in den Besitz seiner alten Inhaber über.
Zwischenzeitlich erfahren wir noch von einer neuen Geschäftsidee Dagobert Ducks, der quasi ohne Ausgaben ein idyllisches Ferienparadies aus dem Boden stampfen kann - nicht zuletzt auch dank der Angelköderproduktion seiner Neffen.


Motivationstraining mit Yeti

Diese teilweise fast schon surreale Geschichte glänzt mit ungeheurer Situationskomik und einer exzellenten Übersetzung. Auch die Zeichnungen Andersens, die ihre Aggression erst später entwickeln sollten, passen hier wie die Faust aufs Auge. Vor allem die Eberlein-Brüder wirken ungeheuer gut getroffen und glaubwürdig, ohne dabei aber die Sympathie des Lesers zu verlieren. Der Wesenszug ihrer Opfer, den sie selbst ausnutzen - die Gutgläubigkeit und Naivität - ist nämlich auch im Charakter der Betrüger ausgesprochen ausgeprägt vorhanden. Gerade diese Figuren sind es, die aus dieser Story in Erinnerung bleiben.
Doch auch abseitigere Aspekte sind überzeugend präsentiert, sei es die Duck'sche Angelköderproduktion, sei es Dagoberts Geschäftssinn. Und ebenso passend ist es, dass er bitter dafür büßen muss, vom Pfad der Tugend abzuweichen und die Überzeugung zu verlieren, dass Geld vor allem durch eigener Hände Arbeit verdient wird. Dass am Ende das Wiederentdecken der eigenen Fähigkeiten zur Wiederherstellung des Status quo führt, ist da nur die logische Folge.
Urkomisch und lehrreich zugleich hält die Story der Gesellschaft einen Spiegel vors Gesicht und zeigt auf, welche Entwicklungen zu befürchten stehen, wenn man wahnwitzigen Versprechungen blindes Vertrauen schenkt.

von Carsten Spitz

Autor: Huck Akin
Zeichner: Flemming Andersen
Seiten: 50
Veröffentlicht: 1995