Die
besten Geschichten aller Zeiten
Platz 34: Der Traum vom
Großen Onkel (Band 181, Der Traum vom Großen
Onkel)
Dass Dagobert Duck nicht eben durch
Sozialkompetenz besticht, ist bekannt. Aber die
Art und Weise, in der er seine Mitarbeiter zum
Auftakt dieser Story gängelt, sucht dennoch
ihresgleichen. Weggeworfene Papierschnipsel
sollen vom Lohn abgezogen, Angestellte
unentgeltlich zu Frondiensten gezwungen werden.
Als das seine Großneffen zufällig hautnah
miterleben, legen sie ihrem Onkel eine Lektüre
ans Herz: George Orwells utopischer Roman
"1984" soll ihm die Augen öffnen und
aufzeigen, wohin das totale Überwachen von
Menschen führen kann. Und natürlich nimmt der
Duck'sche Patriarch sich diesen Hinweis zu
Herzen, noch am selben Abend vertieft er sich in
die Lektüre, bis ihn schließlich kurz vor dem
Ende der Schlaf übermannt und in einen Traum
entführt, der vom gerade Gelesenen inspiriert
ist.
Dagobert
wird vom Bösen umtrieben
Wir sehen den totalitären Staat
Enteanien, in dem der Diktator, der "Große
Onkel", seine Untergebenen ohne jede
Rücksicht ausbeutet und nur für seinen eigenen
Vorteil wirkt. Es wird sechs Tage in der Woche
jeweils 18 Stunden gearbeitet und sollte ihn
einmal ein Anfall von Güte oder Menschlichkeit
überkommen, steht sein treuer, aber
ausgesprochen schurkischer Berater Federkiel ihm
zur Seite und tilgt das kurzzeitig aufkommende
Gewissen wieder aus dem Denken des Herrschers.
In einigen Szenen werden das Überwachungssystem
und das niemals nach auße getragene Leid der
Bevölkerng präsentiert, ehe man sieht, dass
sich auch hier Rebellentum - wenn auch im Kleinen
- hält. Doch auch die geringsten Verstöße
werden konsequent geahndet, und so findet sich
ein guter Freund Donalds, der hier als Bürger
des Staates agiert und die für den Großen Onkel
arbeitenden Daisy anhimmelt, als "Feind der
Gesellschaft" eingesperrt wieder - dabei
hatte er nur einen Becher Orangensaft getrunken.
Bist
mein Großer Onkel, du bist immer da
Der einzige freie Tag in der Woche
ist der Sonntag. Und dort wartet auch die einzige
Freude im Leben der Enteanier auf sie: Es gibt
Süßigkeiten für alle, die bei einem
nachmittäglichen Ausflug verspeist werden
dürfen. Doch als einer dieser Ausflüge, an
denen mehr oder minder alle Bürger teilnehmen,
dann nur in einer weiteren Schufterei endet - der
Bus muss geschoben werden, um Benzin zu sparen,
als Nachmittagsvergnügen stehen heitere Spiele
wie Stromerzeugung auf dem Fahrrad, Aussaat,
Holzhacken oder das Aufsammeln von Feldsteinen
auf dem Programm, etabliert sich allgemein eine
aggressive Stimmung. Und als dann auch noch die
Ankündigung des Großen Onkels die Menschen
erreicht, dass auf die Süßigkeiten in Zukunft
verzichtet werden soll, ist das der Funken, der
die Menge in Brand setzt und für einen Aufstand
sorgt. Gegen die große Menge kann sich
natürlich niemand lange halten und des Diktators
System wird zerschlagen.
Die Geschichte und der Traum läutern Dagobert
Duck und er nimmt sich vor, in Zukunft netter zu
seinen Angestellten zu sein.
Gehirnwäsche
bei 30°
Diese gelungene Adaption des
zeitlosen Klassikers "1984" von George
Orwell schafft es eindrucksvoll, die beklemmende
Atmosphäre der Vorlage in weiten Teilen auch in
den Comic zu transportieren - wenn auch
natürlich auf eine kindgerechte Art und Weise.
Um im Kontext zu funktionieren, musste natürlich
auch das Ende des Buches (der Sieg des Systems)
abgewandelt werden. Die Story weist einen der
wesentlichen Pluspunkte für Literaturadaptionen
auf: Sie funktioniert auch ohne Kenntnis der
Vorlage - ganz im Gegenteil sorgt sie dafür,
dass der Leser, der deutlich auf das Buch
hingewiesen wird, für dieses interessiert wird.
Auch zeichnerisch weiß die Story in allen
Belangen zu überzeugen und schafft es sogar,
eine Botschaft zu vermitteln (und hat dabei ganz
offensichtlich den Ansprich, genau dieses zu
tun).
Meisterlich in Szene gesetzt sind vor allem die
"Telegucker", die zur Überwachung der
Bürger eingesetzt werden, und dabei stets
desinteressiert und gelangweilt wirken - die
reine Präsenz reicht aus, um für Angst und
Schrecken zu sorgen. Auch ihnen ist es zu
verdanken, dass die Darstellung der Diktatur
gelingen konnte.
Am Ende steht eine wirklich gelungene Mischung
aus frischem Witz, der Adaption der düsteren
Literaturvorlage und exzellenten Zeichnungen, die
diese Story zu einer absoluten Empfehlung macht.
von Carsten Spitz
Autor: |
Nino Russo |
Zeichner: |
Corrado Mastantuono |
Seiten: |
42 |
Veröffentlicht: |
1992 |
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