Silvia
Ziche gehört seit Anfang der 90er Jahre zum
festen Kern der italienischen Comiczeichner und
tritt auch regelmäßig selbst als Storyautorin
in Erscheinung. Geboren wurde sie am 5. Juli 1967
in Thiene, einer Provinz bei Vicenza.
Nicht zustande gekommen wäre dieses Interview
ohne Armando Botto (http://www.papersera.net/), der wieder einmal als
Dolmetscher eingesprungen ist. Dankeschön an
Armando für seine Arbeit. ;)
"Die neue Statue" aus LTB
179 eines von Silvia Ziches
Frühwerken und ihr erster LTB-Comic
LTB-Online:
Frau Ziche, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit
für das Interview mit uns nehmen. Als erstes
würden wir gerne wissen, wie Ihre Karriere als
Comiczeichnerin begonnen hat.
Silvia
Ziche: Ich habe sehr früh angefangen,
in etwa mit 16 Jahren. Ich habe mit kleinen
Regionalzeitungen zusammengearbeitet, zusammen
mit einigen Freunden die die Comics ebenso
mochten wie ich. Dann, als ich 20 war, habe ich
angefangen für "Linus" zu arbeiten,
ein monatliches Magazin, das in ganz Italien
erscheint. Gleich danach kam die satirische
Wochenzeitung "Cuore" und schließlich
"Topolino". Das waren Lehrjahre, ich
habe sehr hart gearbeitet, um möglichst viel zu
lernen und mich so sehr wie möglich zu
verbessern.
LTB-Online:
Es gibt nur sehr wenige Zeichnerinnen
(Maria Luisa Uggetti oder Lara Molinari
beispielsweise) und wenn wir einen Blick nach
Deutschland werfen, müssen wir feststellen, dass
auch die Mehrheit der Leser männlich ist. Die
Situation in Italien ist sicher ähnlich. Was
denken Sie, woran das liegt? Vermissen Mädchen
und junge Frauen Charaktere, mit denen sie sich
identifizieren können?
Silvia
Ziche: Ich nehme an, dass Mädchen sich
auch mit männlichen Charakteren identifizieren
können (soweit wir von den
"Standardfiguren" reden, etwas anderes
ist es natürlich, wenn wir über die Charaktere
von W.I.T.C.H. sprechen.). Allerdings haben wir
in Italien fast so viele weibliche Leser wie
männliche, denke ich. Ich persönlich habe da
nie einen Unterschied feststellen können. Und
auch die Zahl der weiblichen Autoren und Zeichner
steigt rasch an.
"Der vorletzte Mohikaner"
(LTB 218)
LTB-Online:
Hatten Sie Probleme, sich zwischen all den
männlichen Kollegen zu etablieren oder wurden
Sie von diesen anfangs belächelt? Müssen wir
uns vielleicht sogar ein
"Macho-Business" ausmalen, wenn wir an
den Umgang der Disney-Künstler untereinander
denken?
Silvia
Ziche: Ich würde nicht von einem
"Macho-Business" sprechen wollen, ich
habe ein derartiges Verhalten nie erlebt.
Eigentlich war da eher Neugier mir gegenüber, da
ich eine Frau bin. Glücklicherweise wirst du in
unserem Job aber nach deiner Arbeit bewertet,
nach deiner Fähigkeit schöne Geschichten zu
erzählen in Wort und Bild. Es kommt nicht darauf
an, ob man ein Mann oder eine Frau ist.
Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich zu
Beginn meiner Karriere kaum mit Problemen zu
kämpfen hatte. Dieses Glück hatte allerdings
absolut nichts damit zu tun, dass ich eine Frau
bin. Und ich lasse sowieso immer meine
Zeichnungen für mich sprechen was mir
sehr gut passt, da ich ziemlich schüchtern bin.
"Im Fussballfieber" (Onkel
Dagobert-Taschenbuch # 63)
LTB-Online:
Viele Comicfans in Deutschland lieben Ihren
modernen, ungewöhnlichen Stil, der im positiven
Sinne immer ein wenig verrückt erscheint. Hatten
Sie Idole, an denen Sie sich orientiert haben,
bevor Sie Ihren unverwechselbaren Stil entwickelt
haben? Und warum haben Sie sich dafür
entschieden, Ihre Charaktere auf diese
ungewöhnliche Art zu zeichnen?
Silvia
Ziche: Ich hatte und habe Vorbilder.
Unter den Disney-Zeichnern sind dies Carl Barks,
Floyd Gottfredson, Giorgio Cavazzano und Romano
Scarpa. Aber mein Disney-Stil ist auch von
Non-Disney-Zeichnern geprägt, wie Uderzo,
Franquin, Bill Watterson, Berkeley Breathed, Tex
Avery... und ich vergesse sicherlich viele
andere.
Was meinen Stil angeht: ich habe den nicht selbst
so gewählt, er hat sich einfach entwickelt.
Meine Figuren sehen halt so aus, lustig,
übertrieben. Manchmal stelle ich fest, dass sie
vielleicht sogar ein bischen zu übertrieben sind
und nicht mehr in den eigentlichen Disney-Kanon
passen. Aber ich mag sie so, wie sie sind.
LTB-Online:
Nur wenige Comic-Zeichner stellen die Ducks mit
Zähnen dar. Sie tun das regelmäßg. Gibt es
dafür spezielle Gründe?
Silvia
Ziche: Zähne bringen auf natürliche
Weise Ausdruck und Stärke in ein Lächeln. Man
kann harmlos, boshaft, weise oder schüchtern
lächeln aber immer mit Zähnen. Wenn ich
nur die Schnäbel der Ducks zeichne, kann ich
nicht die zarten Abstufungen darstellen, die ich
benötige, um den richtigen Ausdruck zu erzielen.
Und außerdem, wie um alles in der Welt könnte
ein wütender, fauchender Duck *KEINE* Zähne
haben?
"Rache eines Roboters"
(LTB 314)
LTB-Online:
Ihre Geschichten haben oftmals eine gute und
interessante Story. Dies kann man wahrlich nicht
von jeder neueren Disney-Geschichte behaupten,
die oftmals eine sehr simple Handlung und
zunehmend weniger Seiten aufweisen. Können Sie
darauf Einfluss nehmen, wessen Geschichten Sie
erhalten? Haben Sie Autoren, mit denen Sie
besonders gern zusammenarbeiten?
Silvia
Ziche: Sehr selten kann ich mir den
Autoren meiner Geschichte aussuchen. Das Paar
Autor/Zeichner ist fast immer eine Sache des
Herausgebers. Natürlich gibt es Autoren, mit
denen ich ausgesprochen gerne zusammenarbeite,
mit anderen weniger, aber ich respektiere die
Arbeite eines jeden.
Stattdessen gibt es einige Themen und Szenarien,
mit denen ich nur sehr schwer zurechtkomme.
Diesen würde ich gerne ausweichen, dies ist mir
aber bisher nicht wirklich geglückt..
Ich muss sagen, dass der Autor, mit dem ich am
meisten hadere, ich selbst bin. Wenn ich eine
Geschichte schreibe, denke ich nie darüber nach,
wie schwierig es sein wird, sie auch in Bilder
umzusetzen. Wenn ich dann zur Zeichenphase komme,
könnte ich mich oftmals selbst verfluchen...
LTB-Online:
Sie arbeiten gegen den Trend der kurzen
Geschichten an. Sie haben lange Geschichten
geschrieben wie "Topokolossal" oder
"Il Papero del Mistero" (Beide in
Deutschland bislang noch unveröffentlicht), aber
schreiben doch recht wenig Storys selbst. Warum
ziehen Sie es vor, lange Geschichten zu schreiben
und ist es schwierig, diese in der heutigen Zeit
mit mehr und mehr kurzen Geschichten im Topolino,
veröffentlicht zu bekommen?
Silvia
Ziche: Das ist gar kein Problem. Die
sehr lange Geschichte (13 Teile), die ich gerade
beendet habe, "Paperina di Rivendosa",
wurde vom Herausgeber selbst angefragt. Wie auch
immer, ich mag es, lange Geschichten zu
schreiben, einen Plot zu entwickeln, viele
Charaktere zu verwenden, Spannung zu erzeugen.
Das ist in einer kurzen Story kaum zu schaffen:
Da muss man den Plot auf das Allerwesentlichste
reduzieren und die Anzahl der Gags minimieren.
Und dann hat man zum Schreiben längerer
Geschichten auch mehr Zeit, man kann sich dadurch
in die Handlung "hineinfühlen" und ihn
ohne Eile in aller Ruhe entwickeln, am Ende
arbeiten die Figuren mit dir zusammen, handeln
beinahe von selbst.
"Wettkampf der Paare" (LTB
304)
LTB-Online:
Sie haben auch großartige Maus-Storys wie
"Topokolossal" oder "Der vorletzte
Mohikaner" gezeichnet. Warum benutzen Sie
die Maus dennoch so selten?
Silvia
Ziche: Die Ducks lassen sich besser
grafisch verzerren, ihre Ausdrücke lassen sich
sehr extrem darstellen, ich habe dadurch mehr
Spaß mit ihnen. Ich muss mit Micky da mehr
aufpassen; allerdings habe ich auch mit Micky von
Zeit zu Zeit meinen Spaß. In
"Topokolossal" habe ich es sogar
geschafft ihn ein wenig "schlecht zu
behandeln", ihn ein wenig zurückzuführen
zum albernen, weniger "perfekten"
Charakter, der in den wunderbaren Geschichten von
Gottfredson in den 40er und 50er Jahren war.
LTB-Online:
"Die städtischen Bühnen Entenhausen
präsentieren" war eine Ihrer ersten
Projekte für Disney und es ist auch heute noch
eines, das man immer wieder gerne liest. Gibt es
eine Chance darauf, dass die Serie einmal
fortgeführt wird?
Silvia
Ziche: Ich weiß es nicht, ich sollte
die Autoren mal fragen. Aber es wäre schön.
LTB-Online:
Sie haben auch einige Kurzgeschichten mit
"Chester Soup" gezeichnet, die im
(ebenfalls in Deutschland nicht erschienenen)
"Mickey Mouse Mystery Magazine"
erschienen sind. Wie kam es dazu, dass diese
Non-Disney-Comics in einem Disney-Magazin
abgedruckt wurden?
Silvia
Ziche: Einfach nur, um es zu versuchen.
Manchmal macht man einfach Sachen, ohne zu sehr
darüber nachzudenken, und manchmal kommt da auch
was ganz gutes bei heraus.
Ich habe es sehr genossen diese Geschichten zu
zeichnen, weil sie sich technisch sehr von den
normalen Geschichten unterscheiden. Ich habe sie
mit einem Füller statt mit einem Pinsel geinkt
und schlußendlich selbst koloriert. Ich frage
mich, ob ich in der Zukunft noch einmal eine
ähnliche Gelegenheit haben werde.
"Chester Soup" aus dem
italienischen Mickey Mouse Mystery Magazine
©
LTB-Online; Oktober 2005
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